Das Reich der Sieben Städte
zu ihnen bahnten.
Nichts rührte sich, außer der sägenden Kette. Alles schien die Luft anzuhalten, nur Baudin keuchte schnaubend. Was für Unruhen auch immer noch irgendwo anders toben mochten, sie schienen Tausende von Längen entfernt.
Felisin sah, wie der Kopf der alten Frau vor und zurück zuckte, eine Parodie der Bewegungen eines lebenden Wesens. Sie erinnerte sich an Lady Gaesen, sie war arrogant und anmaßend gewesen, die Jahre ihrer Schönheit hatten längst hinter ihr gelegen, und sie hatte sich stattdessen um Format bemüht. Welche andere Wahl hätte sie auch sonst gehabt? Es hätte viele Möglichkeiten gegeben, doch das spielte jetzt keine Rolle mehr. Wäre sie eine höfliche, freundliche Großmutter gewesen, es hätte keine Rolle gespielt, es hätte das betäubende Entsetzen dieses Augenblicks nicht gemildert.
Mit einem schmatzenden Geräusch löste sich der Kopf vom Körper. Baudins Zähne glänzten, als er die Menge anstarrte. »Wir hatten eine Abmachung«, knirschte er. »Hier ist das, was ihr wollt, etwas, das euch immer an diesen Tag erinnern wird.« Er schleuderte Lady Gaesens Kopf mitten in die Menge, ein Wirbel aus Haaren und blutigen Fäden. Schreie ertönten von der Stelle, an der er gelandet war.
Mehr Soldaten erschienen, den Rücken von den Roten Klingen gedeckt. Sie bewegten sich langsam, schoben die immer noch schweigenden Zuschauer beiseite. Entlang der Reihe wurde wieder für Ruhe gesorgt – überall gewaltsam und ohne Pardon zu gewähren, außer hier. Als die ersten Menschen unter Schwerthieben fielen, begannen die Übrigen zu fliehen.
Als die Gefangenen die Arena verlassen hatten, waren sie etwa dreihundert gewesen. Als Felisin jetzt die Reihe entlangblickte, konnte sie zum ersten Mal sehen, wie viele davon übrig geblieben waren. In einigen Handschellen hingen nur noch Unterarme, andere waren völlig leer. Weniger als hundert Gefangene waren noch auf den Beinen. Viele lagen vor Schmerzen schreiend und sich windend auf den Pflastersteinen; die Übrigen rührten sich nicht.
Baudin starrte düster zu der am nächsten stehenden Gruppe von Soldaten hinüber. »Ihr habt den richtigen Zeitpunkt gewählt, Blechköpfe.«
Heboric spuckte herzhaft aus. Er verzog das Gesicht, als er den Schläger anstarrte. »Du hast gedacht, du könntest dir den Weg freikaufen, was, Baudin? Gib ihnen, was sie wollen. Aber es war sinnlos, stimmt's? Die Soldaten waren schon unterwegs. Sie hätte leben können -«
Baudin drehte sich langsam um. Sein Gesicht war eine blutige Maske. »Und wozu, Priester?«
»War das der Grund? Weil du dir sicher warst, dass sie im Frachtraum sowieso gestorben wäre?«
Baudin bleckte die Zähne und sagte langsam: »Ich hasse es einfach, mit Bastarden Abmachungen zu treffen.«
Felisin starrte das drei Fuß lange Stück Kette zwischen ihr und Baudin an. Tausend Gedanken hätten folgen können, Kettenglied um Kettenglied – was sie gewesen war, was sie jetzt war; das Gefängnis, das sie entdeckt hatte, drinnen und draußen, das in ihrer lebhaften Erinnerung miteinander verschmolz – doch alles, was sie dachte, alles, was sie sagen konnte, war ein einfacher Satz. »Triff keine weiteren Abmachungen mehr, Baudin.«
Er starrte sie aus zusammengekniffenen Augen an. Ihre Worte, ihr Tonfall, drangen irgendwie zu ihm durch.
Heboric streckte sich. In seinen Augen lag ein harter Glanz, als er sie musterte. Felisin wandte sich ab, halb aus Trotz, halb aus Scham.
Einen Augenblick später schoben die Soldaten – die mittlerweile die Toten beiseite geräumt hatten – die Gefangenen weiter, hinaus durch das Tor, die Oststraße entlang, dem Pier von Glücklos entgegen. Dorthin, wo Mandata Tavore und ihr Gefolge warteten – und die Sklavenschiffe aus Aren.
Grundbesitzer und Kleinbauern säumten die Straße, doch sie zeigten keine Anzeichen der Raserei, die ihre Vettern und Kusinen innerhalb der Stadt ergriffen hatte. Felisin sah in ihren Gesichtern einen teilnahmslosen Kummer, eine Leidenschaft, die von anderen Wunden herrührte. Sie hatte keine Ahnung, woher sie kam, und sie wusste, dass ihre Unwissenheit den Unterschied zwischen ihr und ihnen ausmachte. Und während sie von blauen Flecken und Kratzern übersät hilflos in ihrer Nacktheit dahintrottete, wusste sie außerdem, dass ihre Lektionen begonnen hatten.
Buch Eins - Raraku
Er schwamm zu meinen Füßen,
seine mächtigen Arme teilten
den Sand mit kräftigen Zügen.
So fragte ich diesen Mann,
welche Meere
Weitere Kostenlose Bücher