Das Reich der Traeume
jetzt schon. Aber sie wird noch früh genug merken, neben wen sie sich da gesetzt hat. Die anderen werden ihr sicher bald erzählen, dass dies ein besonderer Platz ist. Und dass sich niemand neben den Drachenkopf setzen darf.
Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass sie mich mustert. Bestimmt wundert sie sich über mein Gesicht.
»Er beiÃt nicht«, sage ich zu ihr, ohne von meinem Heft aufzublicken.
»Was? Was hast du gesagt?«
»Der Drache ⦠Er beiÃt nicht. Er ist harmlos.«
»Hab ich dich etwa danach gefragt?«
»Und die Flecken hab ich schon seit meiner Geburt. Sie gehen nicht weg, und manchmal wandern sie über mein Gesicht. Also pass gut auf, vielleicht hast du Glück und ich geb dir eine Gratisvorstellung.«
»Besser, du hältst den Mund. Hör auf, dummes Zeug zu reden, mich kannst du damit nicht beeindrucken. Oder bist du einer, der gerne Mädchen ärgert?«
»Nein, nein â¦Â«
»Dann sei still, dein Drache macht mir keine Angst. Und du schon gar nicht.«
Doch damit sind die Ãberraschungen an diesem Morgen noch nicht vorbei. Der Direktor kommt in die Klasse, begleitet von einer Frau.
»Hört bitte zu«, beginnt der Direktor und klatscht ein paarmal in die Hände.
Endlich ist es still in der Klasse. Die Frau ist jung und hübsch.
»Ich möchte euch eure neue Lehrerin vorstellen. Sie heiÃt Norma und ist die Nachfolgerin von Señor Miralles. Ich erwarte von euch, dass ihr Señorita Norma einen freundlichen Empfang bereitet.«
Spontan fangen wir an zu applaudieren. Señorita Norma lächelt. Auch der Direktor applaudiert und lächelt.
»Gut, dann lasse ich euch jetzt mit ihr alleine. Ich hoffe, ihr macht keine Schwierigkeiten. Ich möchte keine Klagen hören!«
Er verabschiedet sich von Señorita Norma und geht hinaus. Als sie zu sprechen beginnt, ist es mucksmäuschenstill.
»Vielen Dank für den Beifall und den freundlichen Empfang. Ich hoffe, ich kann euch beweisen, dass ich ihn verdiene. Als Erstes aber möchte ich von euch hören, was ihr von mir erwartet. Wollt ihr mir vielleicht einen Rat geben? Ich weià nicht, irgendeinen Vorschlag â¦Â«
Damit haben wir nicht gerechnet. Kein Lehrer hat uns jemals so eine Frage gestellt.
»Wenn Sie erlauben«, meldet sich Horacio. »Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen.«
»Gerne«, sagt Señorita Norma erfreut. »Sag, was du sagen willst.«
»Sie werden bald merken, dass es in dieser Klasse ein Problem gibt.«
»Ein Problem? Was denn für ein Problem?«
Ich spüre ein Grummeln in meinem Bauch und habe eine böse Vorahnung.
»Es gibt einen Zauberer unter uns, einen Hexenmeister ⦠Sie wissen schon, so einen von diesen komischen Typen, die man im Zirkus sehen kann. Und dazu ist er auch noch Drachenfan.«
»Ich verstehe nicht, was meinst du damit?«
»Ich meine den Drachenkopf.« Horacio zeigt mit dem Finger auf mich und fährt fort: »Den dahinten. Er benimmt sich komisch ⦠und dann sein Gesicht ⦠wir wollen nicht, dass er uns damit ansteckt. Könnten Sie ihn nicht in eine andere Klasse versetzen?«
»Wie hast du ihn genannt?«
»Drachenkopf.«
»Drachenkopf? Aber das ist doch kein Name, das ist ein Schimpfwort, bestenfalls ein Spitzname.«
»Na ja, nennen Sie ihn, wie Sie wollen, aber für uns ist er der Drachenkopf. Er hat nämlich einen auf der Stirn, eine Zeichnung.«
Norma blickt zu mir. Dann sieht sie Horacio an, danach wieder mich.
»Stehst du bitte auf und sagst mir, wie du heiÃt?«, bittet sie mich freundlich.
»Ich heiÃe Arturo Adragón«, sage ich.
»Vielen Dank, Arturo ⦠Und du, willst du mir auch sagen, wie du heiÃt?«, fragt sie Horacio.
»Ich? Ich heiÃe Horacio MartÃn und bin Klassenbester.«
»Schön, Horacio, dann hör mir mal gut zu. Wenn du noch einmal einen deiner Mitschüler beleidigst, mit einem Schimpfwort oder einem Spitznamen, dann bist du die längste Zeit Klassenbester gewesen, das verspreche ich dir. Hast du mich verstanden?«
Horacio wird blass und wirft mir einen Blick zu, den ich nur zu gut kenne. Norma glaubt, sie hätte mir einen Gefallen getan, aber da irrt sie sich.
»Das sage ich meinem Vater«, droht Horacio völlig unerwartet. »Ich dulde es nicht, dass mich eine Lehrerin vor der ganzen Klasse blamiert.«
»Es wird mir eine Freude
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