Das Reich des dunklen Herrschers - 8
verließen.
Eines Tages sah ich wieder Leute herauskommen, und da man ihnen allem Anschein nach nichts angetan hatte, stellte ich mich unmittelbar neben sie, um zu hören, was sie sich zu erzählen hatten. Sie unterhielten sich darüber, daß sie dem großen Mann persönlich begegnet seien. Einzelheiten über ihren Besuch im Innern des Hauses konnte ich zwar nicht in Erfahrung bringen, aber niemand erwähnte etwas davon, ihm sei ein Leid zugefügt worden.
Dann sah ich die Soldaten das Gebäude wieder verlassen und vermutete, sie wollten sich auf die Suche nach weiteren Personen machen, um sie in das Gebäude zu bringen und diesem großen Mann vorzuführen. Also begab ich mich noch vor ihnen zu einem zentralen Sammelplatz und wartete dort in der Nähe der freien Gänge zwischen den für die Allgemeinheit bestimmten Bänken. Als die Soldaten auf den Platz stürmten und eine kleine Gruppe von Personen zusammentrieben, ließ ich mich zusammen mit den anderen abführen.
Ich hatte fürchterliche Angst, was man mit mir machen würde, sah darin aber die einzige Möglichkeit, in das Gebäude und zu diesem wichtigen Mann vorzudringen, um herauszufinden, wie er aussah und wo er sich für gewöhnlich aufhielt, um später heimlich zurückschleichen und ihn belauschen zu können, wie ich es in den Hügeln bei meinen Gefährten gelernt hatte. Ich war entschlossen, etwas über diesen Lord Rahl in Erfahrung zu bringen, trotzdem zitterte ich vor Ungewiß-heit, als sie uns alle in das Gebäude brachten und durch Flure und Treppenhäuser ins oberste Stockwerk führten. Mir war, als würde ich zur Schlachtbank getrieben.
Durch eine schwere Tür wurden wir in einen schlecht beleuchteten Raum geleitet, der meine Befürchtungen zu bestätigen schien, denn dort stank es überall nach Blut. Die Fenster an zweien der Wände dieses kahlen Raumes waren mit Läden verschlossen. Auf der gegenüberliegenden Seite sah ich einen Tisch mit einer breiten Schale darauf, und gleich daneben eine Reihe dicker, scharf zugespitzter Holzpfähle, die mir fast bis zur Brust reichten. Sie waren dunkel von getrocknetem Blut und anderen Körperflüssigkeiten.
Zwei Frauen und ein Mann aus unserer Gruppe verloren das Bewußtsein. Vor lauter Wut überhäuften die Soldaten ihre Köpfe mit Fußtritten. Als sie sich darauf nicht wieder erhoben, wurden sie von den Soldaten an den Armen fortgeschleift. Auf dem Fußboden hinter ihnen blieben blutige Streifen zurück. Da ich nicht die Absicht hatte, mir den Schädel von einem dieser abscheulichen Soldaten mit dem Stiefel eintreten zu lassen, beschloß ich, besser nicht in Ohnmacht zu fallen.
Plötzlich rauschte, einem eisigen Windhauch gleich, ein Mann in den Raum. Noch nie hatte mir jemand solche Angst eingejagt wie dieser Mann - nicht einmal Luchan. Er war mit einem Gewand aus unzähligen übereinander genähten Stoffstreifen bekleidet, die flatternd jeder seiner Bewegungen folgten. Sein pechschwarzes, mit Öl geglättetes und glänzendes Haar war streng nach hinten gekämmt, was seine ohnehin vorstehende Hakennase noch betonte. Die kleinen, schwarzen Augen waren rot gerändert. Als er mich mit diesen glänzenden Augen fixierte, mußte ich mich mit aller Macht daran erinnern, daß ich mir geschworen hatte, nicht in Ohnmacht zu fallen.
Während er unsere Reihe abschritt, maß er jeden von uns, einen nach dem anderen, mit abschätzendem Blick, so als wähle er sein Abendessen aus. Erst jetzt, als seine Finger unter seinem seltsamen Gewand zum Vorschein kamen und er mit einem flüchtigen Wink erst auf eine Person, dann auf eine weitere zeigte, bis er schließlich insgesamt fünf ausgewählt hatte, erkannte ich, daß seine Fingernägel exakt im selben Schwarz seiner Haare lackiert waren.
Auf einen Wink von ihm waren wir Übrigen entlassen. Sofort stellten sich die Soldaten zwischen die fünf Ausgewählten und uns und begannen, uns Richtung Tür zu drängen. In diesem Augenblick, noch ehe man uns durch die Tür nach draußen schieben konnte, betrat ein Kommandant mit zur Seite gebogener Nase, so als hätte er sie sich mehrfach gebrochen, den Raum und verkündete, der Bote sei eingetroffen. Der Mann mit dem pechschwarzen Haar fuhr sich mit den schwarzen Fingernägeln durch sein Haar und befahl dem Kommandanten, den Boten warten zu lassen - bis zum Morgen sei er im Besitz der neuesten Informationen.
Anschließend wurde ich zusammen mit den anderen aus der Gruppe aus dem Raum und die Treppe hinuntergeführt. Man schaffte
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