Das Reich des dunklen Herrschers - 8
den steilen Anstieg beginnen mußten; das freiliegende Felsgestein und die Wurzeln boten ausreichend halt für Hände und Füße.
Tom versuchte Jennsen zu helfen, indem er ihr ab und zu Betty anreichte, obwohl die Ziege im Klettern über felsigen Grund sehr viel geschickter war als sie. Richard vermutete, daß es ihm dabei eher um Jennsens denn um Bettys Seelenfrieden zu tun war. Schließlich erklärte ihm Jennsen, Betty komme bestens allein zurecht.
Kurz nachdem der Regen einsetzte, fanden sie den niedrigen Spalt unter einem vorspringenden Felssims, wie Cara es angekündigt hatte. Eine richtige Höhle war es nicht, eher ein Hohlraum unter einer Felsplatte, die weiter oben aus dem Hang herausgebrochen und herabgestürzt war. Am Boden liegende Felsbrocken stützten sie, so daß darunter ein ausreichend großer Hohlraum entstanden war. Als geräumig konnte man ihn nicht gerade bezeichnen, aber nach Richards Meinung würden sie für eine Nacht alle darunter Platz finden.
Der Boden war schmutzig und mit altem Laub und Waldstreu aus Rinde, Moos und unzähligen Kerbtieren übersät. Tom und Richard fegten ihn kurzerhand mit ein paar abgeschnittenen Zweigen aus, ehe sie ihn mit einer Schicht aus Immergrün auslegten, um zu verhindern, daß sie von hereinlaufendem Wasser durchnäßt wurden.
Als der Regen stärker wurde, hasteten sie mit eingezogenen Köpfen unter die Felsplatte, um sich einen Platz zu suchen. Da man sich nicht aufrichten konnte, wirkte die Höhle nicht eben bequem, aber wenigstens war sie einigermaßen trocken.
Jetzt, nachdem sie den üblichen Pfad verlassen hatten, wagte Richard nicht - aus Angst, der Rauch könnte von den Riesenkrähen gesehen werden -, ein Feuer zu entzünden. Sie nahmen ein kaltes Mahl aus Fleisch, Fladenresten und Trockenfrüchten zu sich. Der den ganzen Tag währende Aufstieg hatte sie alle erschöpft, weswegen kaum gesprochen wurde.
Während sich die Dunkelheit allmählich über die Wälder legte, schauten sie zu, wie der Regen draußen vor ihrem gemütlichen Unterschlupf niederging, und lauschten - alle in Gedanken bei dem eigenartigen Land vor ihnen, das dreitausend Jahre lang von der Außenwelt abgeschnitten gewesen war - auf das leise Rauschen. Auch Truppen der Imperialen Ordnung würden dort sein.
Während Richard dasaß, zur Höhle hinaus in den dunklen Regen schaute und auf die gelegentlichen Tierlaute in der Ferne lauschte, schmiegte Kahlan sich eng an ihn und legte ihm den Kopf in den Schoß. Betty verkroch sich in den hintersten Winkel des Unterschlupfs und legte sich neben Jennsen.
Das beruhigende Gefühl seiner Hand auf ihrer Schulter ließ Kahlan Minuten später einschlafen. Richard dagegen, so sehr ihn der beschwerlichen Tagesmarsch auch erschöpft hatte, war nicht schläfrig.
Er hatte Kopfschmerzen, und das Gift tief in seinem Körper machte jeden Atemzug zur mühevollen Qual. Er fragte sich, was ihn wohl zuerst niederwerfen würde: die Kraft seiner Gabe, der er die Kopfschmerzen zu verdanken hatte, oder Owens Gift.
Außerdem fragte er sich, wie er die Forderung Owens und seiner Leute nach Befreiung ihres Reiches erfüllen sollte, um an das Gegenmittel zu kommen. Zu fünft waren sie wohl kaum die Armee, die nötig wäre, um die Imperiale Ordnung aus Bandakar zu vertreiben.
Wenn ihm das aber nicht gelang, wenn er sich das Gegenmittel nicht beschaffen konnte, würde sein Leben unabwendbar zur Neige gehen. Gut möglich, daß dies seine letzte Reise war.
32
Richard packte die Felskante am Rand der Öffnung mit beiden Händen, um sich aus dem dunklen Spalt in der jäh vor ihnen ansteigenden Granitwand herauszuziehen. Als er sich befreit hatte, klopfte er sich die scharfkantigen Granitsplitter von den Händen und wandte sich zu den anderen herum.
»Der Gang führt ganz hindurch. Einfach ist es nicht, aber er führt bis auf die andere Seite.«
Er bemerkte den zweifelnden Ausdruck auf Toms Gesicht; Owen war geradezu bestürzt.
»Aber ich glaube, das können wir nicht«, jammerte Owen. »Was ist, wenn … «
»Wir eingeklemmt werden?«, beendete Richard seine unausgesprochene Frage.
Owen nickte.
»Nun, in dem Fall wärst du gegenüber Tom und mir im Vorteil«, erklärte Richard, während er seinen Rucksack wieder aufnahm, den er ein Stück entfernt abgelegt hatte. »Du bist nicht ganz so kräftig gebaut. Wenn ich es bis zur anderen Seite und wieder zurück geschafft habe, dann kannst du es auch, Owen.«
Owen deutete mit der Hand zu dem steilen Hang rechts von
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