Das Reich des dunklen Herrschers - 8
Prälatin, es war eine Schwester der Finsternis.«
Verna sah keinen Sinn darin, zu widersprechen, zumal es ohnehin fast keine Rolle spielte. »Wenn Ihr es sagt, Rikka.«
Verna legte das Gesuch beiseite und widmete sich dem nächsten Blatt auf dem Stapel, der Bitte um eine Schwester, die vor Kindern über die Berufung der Schwestern des Lichts sprechen sollte, verbunden mit einem Vortrag über das Thema, warum der Schöpfer die Methoden der Imperialen Ordnung nicht billige und deshalb auf ihrer Seite stehe. Verna lächelte bei sich, als sie sich vorstellte, wie Zedd allein schon bei dem Gedanken, daß eine Schwester mitten in der Neuen Welt einen Vortrag über ihre Sicht dieser Dinge halten sollte, außer sich geriet.
Rikka richtete sich wieder auf. »Ich dachte mir, daß Ihr das sagen würdet.«
»Nun, seht Ihr, da habt Ihr es«, murmelte Verna, während sie die nächste Mitteilung der Schwestern des Lichts im Süden las, in der sie über die Gebirgspässe und die zu ihrer Absperrung getroffenen Maßnahmen berichteten.
»Rührt Euch nicht von der Stelle«, brummte Rikka, ehe sie wütend aus dem Zelt stürmte.
»Ich hatte nicht die Absicht, irgendwohin zu gehen«, seufzte Verna, während sie die detaillierte Darstellung überflog, doch die aufgebrachte blonde Frau war schon verschwunden.
Verna vernahm einen Tumult draußen vor dem Zelt; offenbar hielt Rikka jemandem eine bissige Strafpredigt. Diese Mord-Sith waren unverbesserlich, aber vermutlich mochte Verna sie - trotz allem - gerade deswegen.
Seit Warrens Tod allerdings war Verna nicht mehr recht mit dem Herzen bei der Sache. Sie tat, was sie tun mußte, versah ihre Pflicht, dennoch gelang es ihr nicht, dabei etwas anderes als Hoffnungslosigkeit zu empfinden. Der Mann, den sie liebte und den sie geheiratet hatte, der prächtigste Mensch auf der ganzen Welt … lebte nicht mehr.
Seitdem war nichts mehr wirklich wichtig.
Verna war bemüht, ihre Rolle auszufüllen und den Erfordernissen zu genügen, weil so viele Menschen auf sie zählten, aber wenn sie ehrlich sein sollte, gab es nur einen Grund, weshalb sie sich fast zu Tode schuftete: Sie brauchte Ablenkung, sie mußte an etwas anderes denken als an Warren, was es auch sei. Es funktionierte nicht, aber sie klammerte sich daran.
Gedankenverloren zog sie ihr Reisebuch aus dem Gürtel. Was sie dazu veranlaßt haben mochte, wußte sie nicht, außer vielleicht, daß sie schon eine Weile nicht mehr nachgesehen hatte, ob es Nachricht von der echten Prälatin gab. Seit Kahlan ihr die Schuld für so vieles - nicht zuletzt am Ausbruch des Krieges - in die Schuhe geschoben hatte, machte auch Ann derzeit eine Krise durch. Verna fand, daß Kahlan ihr in vielem Unrecht tat, verstand aber durchaus, warum sie glaubte, Ann sei für das Chaos in ihrem Leben verantwortlich; eine Zeit lang hatte sie ebenso gedacht.
Wie sie das Reisebuch so mit einer Hand zur Seite hielt und flüchtig darin blätterte, sah sie plötzlich eine Nachricht aufblitzen.
In diesem Moment platzte Rikka abermals ins Zelt. Sie knallte einen schweren Sack auf Vernas Schreibtisch, mitten auf den Stapel mit Berichten.
»Hier!« Ihre Hitzigkeit verlieh ihrer Stimme zusätzlich Nachdruck.
Erst jetzt hob Verna den Kopf, und zum allerersten Mal bemerkte sie Rikkas seltsame Bekleidung. Verna starrte sie offenen Mundes an. Rikka trug nicht etwa den Anzug aus hautengem rotem Leder, den Mord-Sith normalerweise trugen, wenn sie sich nicht gerade eine ihrer seltenen Erholungspausen gönnten und den gleichen Anzug in Braun anhatten. Verna hatte sie nie etwas anderes als diese Lederanzüge tragen sehen.
Doch jetzt trug Rikka ein Kleid.
Verna konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so verblüfft gewesen war.
Zumal es nicht irgendein Kleid war, sondern eines aus rosafarbenem Stoff, in dem sich keine Frau in Rikkas Alter von um die dreißig auch nur hätte begraben lassen wollen. Der Halsansatz war so tief ausgeschnitten, daß darunter ein üppiger Busen zum Vorschein kam; die beiden Rundungen waren so weit hochgeschnürt, daß sie beinahe herausquollen. Zu Vernas Überraschung war es ihr gleichwohl gelungen, einen letzten Rest von Schicklichkeit zu wahren, vor allem, da ihr Busen auf Grund ihrer Aufgebrachtheit mächtig wogte.
»Ihr auch?«, fauchte Rikka.
Endlich hob Verna den Blick und sah in Rikkas blitzende blaue Augen. »Ich auch, was?«
»Ihr könnt Euch wohl auch nicht an meinem Busen satt sehen.«
Verna fühlte sich zutiefst erröten und
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