Das Reich des dunklen Herrschers - 8
ins Haus und nahm mich dieser tapferen Soldaten der Imperialen Ordnung an. Sie waren so abgelenkt, daß sie mich gar nicht bemerkten, als ich mich von hinten anschlich. Die Frauen waren so schrecklich verängstigt, daß sie schrien, dabei wollte ich sie doch nur retten. Die Schwester hatte zuvor schon nicht auf ihr Geschrei geachtet und tat es auch jetzt nicht.
Dann sah ich, daß eine der jungen Frauen blond war und ungefähr meine Größe hatte, und plötzlich kam mir eine Idee. Ich streifte ihr Kleid über und löste meinen Zopf, so daß man mich für sie halten konnte. Dem Mädchen gab ich ein paar Männersachen zum Anziehen, dann erklärte ich den beiden, sie sollten, von der Schwester fort, in die Berge fliehen und sich auf keinen Fall umdrehen. Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Anschließend hockte ich mich draußen vor der Scheune auf einen Schemel.
Und tatsächlich, eine Weile darauf kehrte die Schwester zurück. Sie sah mich gesenkten Kopfes dort sitzen, offenbar in Tränen aufgelöst.
Die andere vermutete sie wohl noch drinnen, bei den Soldaten, denn sie sagte: ›Wird auch Zeit, daß diese Trottel da drinnen mit dir und deiner Freundin fertig werden. Seine Exzellenz verlangt einen Bericht, und zwar jetzt gleich - er ist bereit, loszuschlagen^«
Verna erhob sich leicht von ihrem Stuhl. »Das habt Ihr sie tatsächlich sagen hören?«
»Ja.«
»Was geschah dann?«, wollte General Meiffert wissen.
»Dann begab sich die Schwester mit hastigen Schritten zur Scheunentür. Kaum war sie an mir vorüber, sprang ich hinter ihrem Rücken auf und schnitt ihr mit dem Messer eines der Soldaten die Kehle durch.«
General Meiffert beugte sich zu Rikka. »Ihr habt ihr die Kehle durchgeschnitten und nicht Euren Strafer benutzt?«
Rikka warf ihm einen Blick zu, aus dem hervorging, daß er wohl nicht richtig zugehört hatte. »Die Prälatin hat es doch eben noch gesagt: Ein Strafer funktioniert bei denen, die der Traurnwandler in seiner Gewalt hat, nicht recht. Deshalb habe ich ein Messer benutzt. Traumwandler oder nicht, das Durchtrennen ihrer Kehle hat bestens funktioniert.«
Wie zum Beweis hielt sie Verna abermals den Kopf vors Gesicht, an dessen Unterseite, während er sachte an den Haaren hin- und herschwang, einer der Berichte klebte. »Ich habe ihr erst die Kehle und schließlich den ganzen Hals durchtrennt. Sie hat sich ziemlich heftig gewehrt, weshalb ich sie im Augenblick ihres Todes fest mit meinen Armen umklammert hielt. Plötzlich wurde einen Moment lang alles ringsum vollkommen schwarz - ich meine richtig finster, so finster wie das Herz des Hüters. Es war, als hätte uns alle plötzlich die Unterwelt geholt.«
Verna wandte den Blick vom Kopf der Schwester ab, die sie so lange gekannt und stets für eine glühende Verehrerin des Schöpfers und des Lichts des Lebens gehalten hatte - dabei hatte sie in Wahrheit den Tod verehrt.
»Der Hüter hat eine der Seinen zu sich gerufen«, erklärte Verna mit ruhiger Stimme.
»Na ja«, meinte Rikka - ziemlich sarkastisch, fand Verna -, »beim Tod einer Schwester des Lichts wäre das vermutlich nicht passiert. Wie ich schon sagte, sie war eine Schwester der Finsternis.«
Verna nickte. »Allerdings.«
General Meiffert gab der Mord-Sith einen flüchtigen Klaps auf die Schulter. »Danke, Rikka. Ich sollte die Meldung jetzt besser weitergeben. Wenn Jagang tatsächlich im Begriff ist, sich in Marsch zu setzen, wird er bereits in wenigen Tagen hier sein. Wir müssen dafür sorgen, daß die Pässe vorbereitet sind, wenn seine Streitmacht eintrifft.«
»Die Pässe werden halten«, erklärte Verna. Sie stieß einen stummen Seufzer aus. »Jedenfalls eine Weile.«
Um D’Hara zu erobern, mußte die Imperiale Ordnung das Gebirge überqueren, es führten jedoch nur wenige Pässe durch diese gewaltigen Berge. Verna und die Schwestern hatten sie mit Hilfe von Schilden, so gut es irgend ging, versperrt. An einigen Stellen hatten sie mit Magie Erdrutsche ausgelöst und die schmalen Gebirgsstraßen unpassierbar gemacht. Andernorts hatten sie die in die steilen Gebirgshänge gegrabenen Straßen mit Hilfe ihrer Kraft unterbrochen, so daß die betreffenden Stellen nur überwinden konnte, wer bereit war, mühsam über das Geröll zu kraxeln. Und um genau dies dort, wie auch an anderen Stellen, zu verhindern, hatten die Soldaten den Winter über hart gearbeitet, um quer zu den Pässen steinerne Mauern zu errichten. Der Oberrand dieser Mauern war mit Befestigungsanlagen
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