Das Reich in der Tiefe
ein winziges Gehirn und lernten nicht einmal, den vormarschierenden Treibergruppen, welche sie aus der Entfernung abschossen, auszuweichen.
Intelligenter waren die Flugdrachen, riesige Segler mit furchtbarem Gebiß im gewaltigen Schnabel. Man mußte vor ihnen sehr auf der Hut sein, weil sie blitzschnell niederstießen, wenn sie Bewegungen von Menschen und Tieren sahen. Die dritte Art, die Ichtyosaurier, waren Beherrscher des Sees. Zwölf Meter lange Tiere, fast wie Walfische, halb Fisch, halb Reptil, besaßen sie einen zwei Meter langen spitzen Schädel mit dräuenden Zahnreihen. Sie hatten gespürt, daß es im Westzipfel des Sees für sie nicht mehr geheuer war und sich ins uferferne Wasser zurückgezogen.
Erichsen und Rocco verfügten in diesen Tagen des Abwartens über genügend Zeit, um sich über viele Dinge der Ober- und Unterwelt zu unterhalten, wenn sie etwa nach Anbruch der Schlafzeit noch vor dem Zelt saßen und auf den roten See und die Uferlandschaft zu beiden Seiten blickten.
Am sechzehnten Tage nach Beginn der Aktion dröhnten Trommelsignale nach Nord und Süd, die große Treibjagd begann von neuem, diesmal mit östlicher Stoßrichtung, beiderseits des Sees. Die mittlere Gruppe hatte in der Ruhezeit aus gefällten Baumstämmen Flöße hergestellt, mehrere Gruppen begleiteten darin den Vormarsch auf dem Wasser. Die Seeufer waren das Nistgebiet der Dinosaurier, während die Flugsaurier in den Schluchten der Höhlenwände hausten.
Am sechsundzwanzigsten Tag hatte Roccos Streitmacht den 150 Kilometer langen Seeabschnitt hinter sich gebracht. Die Fortsetzung der Höhle hinter dem See war 75 Kilometer breit und erstreckte sich unabsehbar nach Südost. Die Gesamtabschußziffer betrug an diesem Tage 83 Landechsen, 216 Flugechsen und 76 Fischsaurier. Sie wurde täglich über die neu erstellte Lichtsignallinie nach Atakor gemeldet. Durch diese Verbindung erfuhr man im Hauptquartier, daß im ganzen Land Cheti die Begeisterung über alle Maßen groß war und sich aus Dörfern und Städten viele Freiwillige meldeten, die noch zur Truppe stoßen wollten.
Es ließ sich immer noch kein Ende der Höhle absehen! Was nützte der ganze bisherige Erfolg, wenn sich die Höhle in weite Fernen verlor? Dann würde die Munition zu Ende sein, ehe die Saurier erledigt waren, dann mußte die Gefahr erneut hereinbrechen.
Am einunddreißigsten Vormarschtag kam endlich die erlösende Meldung, daß die Höhle spürbar enger werde. Patrouillen berichteten, in der Ferne schienen beide Höhlenwände zusammenstoßen. An den darauffolgenden Tagen wurde es immer mehr zur Gewißheit, und am fünfunddreißigsten Tag rastete das Freiwilligenkorps eng aufgeschlossen im nur sieben Kilometer breiten, ansteigenden Abschlußteil der neuen Höhle, einem öden, distelbewachsenen Steppenland, das in Geröllhalden und von Schrunden durchzogene Steilhänge überging, die schließlich an das Himmelsdach stießen.
Als Rocco durch die rastenden Gruppen ritt, mußte er eine wichtige Nachricht bekanntgeben, die eben lichttelegraphisch aus Atakor kam: Der alte König war gestorben, und Sarasola übte die Regentschaft aus! Das erregte ihn im Augenblick wenig, da es an den politischen Verhältnissen, die sowieso seit dem Tode des Kronprinzen bestanden, nichts änderte. Er war mit den Anordnungen für den Rückmarsch beschäftigt, der auch wieder in Kampfformation durchgeführt werden sollte. Es galt dabei, den Rest der Echsen abzuschießen, um die Gefahr ein für allemal zu beseitigen.
Die ersten Karten der neuen Höhle lagen jetzt vor. Geometer, welche der Truppe folgten und die erste flüchtige Vermessung ausführten, hatten sie in Metalltafeln geritzt. Die neue Höhle lag in der Form einer Mondsichel von 420 Kilometer Länge und 80 Kilometern größter Breite vor dem Norden und Nordosten der Chetihöhle und hatte drei Viertel von deren Flächeninhalt. Wahrhaftig, ein stolzer Zuwachs für das Reich! Mußten nicht das Königshaus, der Hohe Rat und das ganze Volk Rocco und Erichsen ewig dankbar sein?
Nach dreitägiger Rast wurde der Rückmarsch angetreten, er dauerte 20 Tage, und es gab keine wesentlichen Zwischenfälle, bis das Gebirgstor nach Cheti erreicht war. An diesem achtundfünfzigsten Tage stand die Gesamtabschußziffer auf 525 Großechsen. Die Dinosaurier waren mit Bestimmtheit sämtlich vernichtet, von den Flugechsen überlebten höchstens wenige Exemplare, nur Ichtyosaurier blieben in größerer Anzahl übrig, ihre Ausrottung erforderte
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