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Das Reich in der Tiefe

Das Reich in der Tiefe

Titel: Das Reich in der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Koch
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kaufte ich ein Stück Land, die Landebrücke und diese Wellblechbaracken ab und siedelte mich hier an.“
    „Wie heißt denn die Insel?“
    „Santa Caterina. Sie ist 45 Kilometer lang, 40 breit, außer mir gibt’s keine Bewohner. Das meiste Land ist unfruchtbarer Fels.“
    „Wenn Sie es gestatten, würde ich gern ein paar Tage hierbleiben, ehe ich mich wieder mit dem Boot aufmache. Ich helfe Ihnen gern fischen, holzhacken oder wozu Sie mich sonst brauchen können. Hab’ es nämlich nicht eilig, in die Zivilisation zurückzukehren.“
    „Das dachte ich mir! Sie können unter der Bedingung bleiben, daß Sie mir ganz ehrlich erzählen, was Sie verbrochen haben, ich zeige Sie nicht an. Na was, also? Mord, Raub oder Falschmünzerei?“
    „Wie kommen Sie darauf? Sie sehen doch, daß ich seemännische Uniform trage. Wofür halten Sie mich denn?“
    „Für einen aus Ushuaja ausgebrochenen Zuchthäusler, andere Leute kommen niemals in diese Gegend. An den Schiffsuntergang glaube ich nicht, und die Uniform braucht nicht echt zu sein. Mir ist’s aber gleich, wenn Sie sich hier anständig benehmen!“
    Klaus lehnte sich in seinen Stuhl zurück, ehe er antwortete: „Sie irren sich mit Ihrer Vermutung, daß ich aus Ushuaja komme. Ich will offen meine Geschichte erzählen.“ Und nun berichtete Klaus zum erstenmal einem anderen Menschen den Hergang seiner Tat. Eine lange Schweigepause trat ein, als Klaus zu Ende war.
    „Ich glaube Ihnen“, sagte Gaston. „Nicht wegen Ihrer Worte, man kann viel erzählen. Aber Sie haben ehrliche Augen. Bleiben Sie erst einmal bis Weihnachten, dann wollen wir weitersehen!“
     
    *                     *
    *
     
    Klaus machte sich nützlich, hackte Holz, besorgte den Hühnerhof, molk die Ziegen. Bei dem einigermaßen guten Wetter half er dem Sonderling auch beim Auslegen und Einholen der Netze, beim Fischräuchern und Zurichten der Felle. Das Arbeitsboot der Bahia hatte er herangeholt, es war ein willkommener Zuwachs für den Zwei-Männer-Haushalt. Nun war der Heilige Abend herangekommen. Gaston stiftete eine Flasche Kognak aus seinem Bestand, sie saßen in der Wärme und Geborgenheit des Wellblechhauses, während draußen der Sturm heulte, der sich am Nachmittag erhoben hatte. Seit zwei Stunden schneite es auch.
    „Kennen Sie eigentlich die ganze Insel?“ fragte Klaus plötzlich.
    „Ja, ziemlich. Bis auf die Gegenden im Bergland.“
    „Ich hätte Lust, einmal eine kleine Forschungsreise dahin zu machen.“
    „Sie sind ein Kindskopf. Ich warne Sie, stellen Sie es sich nicht so einfach vor, bei Hagel und Sturm im Freien zu bleiben.“
    „Macht mir nichts aus. Ich warte ab, bis das Wetter besser wird. Gegen Unwetter gibt es Höhlen und Zelte.“
    Nach Weihnachten war das Wetter gut, sogar sonnig, man arbeitete den ganzen Tag im Freien und fiel abends todmüde ins Bett. Als sich im Januar aber das Wetter erneut verschlechterte, mußte man wohl oder übel im Wellblechhaus bleiben. Von Schach- oder Kartenspiel wollte Lemaire nichts wissen, die Uhr und das wenige technische Gerät hatte Klaus rasch repariert. Dann blieb ihm gar nichts anderes mehr übrig als abends und schon bei Tage zu lesen. Beide saßen sie, während es draußen regnete oder stürmte, einträchtig zu beiden Seiten des schmalen Tisches beim Schein der Petroleumlampe und vergruben sich in Bücher. Aus den drei Bücherkisten, die Lemaires Bibliothek enthielten, hatte Klaus sich herausgesucht, was ihm halbwegs verdaulich schien.
    Es war um den 20. Januar, als der Wind abflaute und Erichsen eines Abends ohne Überleitung zu Lemaire sagte: „Morgen wird schönes Wetter, ich mache meinen Ausflug ins Gebirge. Drei oder vier Tage werde ich brauchen, dann bin ich wieder hier!“
    Gaston holte Luft und versuchte Klaus zuzureden, von dieser Verrücktheit Abstand zu nehmen. Aber er hatte keinen Erfolg.
    „Tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber glauben Sie ja nicht, daß ich Sie suchen werde, wenn Ihnen etwas passiert!“ erklärte Lemaire ärgerlich.
    Aber trotzdem hatte er Klaus am nächsten Morgen alles in dessen behelfsmäßigen Rucksack gepackt, was er brauchte, Wegzehrung für mehrere Tage, Eßgeschirr, wasserdichtes Zeug und eine Decke. Ferner gab er ihm eine seiner beiden Flinten mit. Fröhlich pfeifend marschierte Klaus der Sonne entgegen, die die Wolken durchbrochen hatte. Im Grunde wußte er selbst nicht recht, was er im Bergland im Osten der Insel tun sollte. Es war damals nichts weiter gewesen

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