Das Reigate-Rätsel
ist, wie ich befürchtet habe!<
Wir waren in diesem Augenblick an die Stelle gekommen, wo die Allee eine Kurve macht und den Blick auf das Haus freigibt. Im sinkenden Schein der Abendsonne sahen wir, daß alle Läden des Hauses heruntergelassen waren. Das Gesicht meines Freundes war verzerrt vor Kummer. An der Tür trat uns ein schwarzgekleideter Herr entgegen.
>Wann ist es passiert, Doktor?<
>Gleich nachdem Sie zum Bahnhof gefahren sind.<
>Hat er das Bewußtsein noch einmal wiedererlangt?<
>Nur für einen Augenblick, kurz vor dem Ende.<
>Eine Botschaft für mich?<
>Nur ein Hinweis, daß die Papiere sich im hinteren Fach des japanischen Kabinetts befinden.< Mein Freund begab sich zusammen mit dem Arzt in das Zimmer des Toten, während ich im Arbeitszimmer blieb und über die Geschehnisse nachdachte. Ein großer Ernst, wie ich ihn vorher noch nicht erlebt hatte, bemächtigte sich meiner. Wie mochte die Vergangenheit dieses Trevor, Boxer, Weltreisender, Goldgräber, ausgesehen haben? Wie war er in die Krallen dieses grämlichen Seemannes geraten? Warum war er ohnmächtig geworden, als ich nur die halbverblichene Tätowierung erwähnte? Warum mußte er vor Angst sterben, nur weil er einen Brief aus Fordingham erhielt? Plötzlich erinnerte ich mich daran, daß Fordingham in Hampshire liegt. Dieser Mr. Beddoes, den der Seemann besuchen wollte, ganz offenbar, um ihn zu erpressen, lebte auch in Hampshire. Der Brief konnte also von Hudson stammen, der damit klarmachte, daß er sein böses Geheimnis nun weitergegeben hatte. Oder aber er stammte von Beddoes, der auf diese Weise seinen alten Kameraden warnen wollte. Soweit schien mir alles ganz klar zu sein. Aber warum war der Brief auf so grotesk banale Weise abgefaßt, wie Trevor gesagt hatte?
Er mußte ihn mißverstanden haben. Vielleicht handelte es sich um einen fantasievollen Geheimcode, der ganz etwas anderes bedeutete. Ich mußte diesen Brief sehen. Falls er eine geheime Botschaft enthielt, war ich sicher, sie ans Licht bringen zu können. Eine Stunde lang brütete ich im Dämmerlicht darüber, bis ein weinendes Mädchen mit einer Lampe kam. Ihr auf den Fersen folgte mein Freund Trevor, bleich, aber gefaßt, mit den Papieren, die Sie hier auf meinen Knien sehen. Er setzte sich mir gegenüber, zog die Lampe an den Tischrand und gab mir ein einzelnes graues Blatt Papier, auf dem eine kurze Notiz geschrieben stand: >Das allseits bekannte Spiel Hasch mich ist nicht mehr aus der Welt. Hudson, der Förster, hat mit Hirschen geplaudert, und nun fliehen alle, wie Sie gleich sehen, schnellstens.< Ich habe sicher ein genauso erstauntes Gesicht gemacht wie Sie gerade eben, Watson, als ich diese Zeilen zum ersten Mal las. Sorgfältig las ich sie noch einmal. Diese merkwürdige Kombination von Wörtern mußte irgendeine geheimnisvolle Bedeutung enthalten. Wenn allerdings der Förster und die Hirsche für etwas standen, das vorher vereinbart worden war, dann konnte niemand den verborgenen Sinn erraten. Aber das konnte und wollte ich nicht glauben, und der Name Hudson schien ein Indiz dafür zu sein, daß es sich um eine Botschaft handelte, wie ich es mir gedacht hatte, und daß sie eher von Beddoes kam als von dem Seemann. Ich versuchte es damit, den Text rückwärts zu lesen oder jeweils ein Wort auszulassen, aber nichts wollte einen Sinn ergeben. Dann plötzlich hatte ich des Rätsels Lösung: Das erste und dann jeweils das dritte Wort im Zusammenhang gelesen, ergab eine Botschaft, die den alten Trevor sehr wohl zur Verzweiflung getrieben haben konnte.
Die Warnung, die ich meinem Freund nun vorlas, war kurz und bündig. >Das Spiel ist aus.
Hudson hat geplaudert. Fliehen Sie schnellstens.<
Victor Trevor le gte den Kopf auf die zitternden Hände. >Das muß es sein<, sagte er. >Und es ist schlimmer als der Tod, denn es bedeutet außerdem noch Schande. Aber was sollen der Förster und die Hirsche?<
>Für die Botschaft haben sie keine Bedeutung<, antwortete ich, >wohl aber für uns, wenn wir aus ihnen auf den Absender schließen wollen. Sicher hat er damit begonnen, >Das... Spiel... ist...
aus< usw. zu schreiben, und hat die Lücken dann irgendwie ausgefüllt. Dazu hat er sicher verwendet, was ihm als erstes in den Sinn kam, und in dieser Hinsicht ist seine Wahl durchaus bedeutungsvoll. Er könnte Jäger oder Jagdbesitzer sein. Wissen Sie etwas über diesen Beddoes?<
>Nun, da Sie es erwähnen<, sagte er. >Ich erinnere mich, daß mein armer Vater von ihm immer zur
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