Das Reigate-Rätsel
Herbstjagd ein geladen war.<
>Dann ist die Botschaft mit Sicherheit von ihm. Bleibt uns nur noch herauszufinden, mit welchem Geheimnis dieser Seemann Hudson zwei so wohlhabende und geachtete Männer in Angst und Schrecken versetzen konnte.<
>Ach, Holmes, ich fürchte, es handelt sich um eine ehrenrührige und schandbare Sache<, rief mein Freund aus. >Aber vor dir habe ich keine Geheimnisse. Hier ist der Bericht, den mein Vater geschrieben hat, als die Bedrohung durch Hudson akut wurde. Ich habe ihn im japanischen Kabinett gefunden, wie der Doktor gesagt hat. Nimm ihn und lies ihn mir vor, denn mir fehlt dazu die Kraft und auch der Mut.<
Das hier, Watson, sind die Papiere, die er mir aushändigte, und ich werde Sie Ihnen jetzt vorlesen, wie ich sie damals ihm vorgelesen habe. Wie Sie sehen, steht darauf vermerkt:
>Einzelheiten von der Reise der >Gloria Scott< von ihrem Auslaufen aus Falmouth am B.
Oktober 1855 bis zu ihrem Untergang am 6. November bei 15 Grad 20 Minuten nördlicher Länge, 25 Grad 14 Minuten westlicher Breite.< Der Bericht ist in Form eines Briefes geschrieben und lautet:
>Mein lieber, lieber Sohn - Nun, da Schande die letzten Jahre meines Lebens zu verdunkeln droht, kann ich mit aller Aufrichtigkeit schreiben, daß es nicht der Verlust meiner Stellung hier, nicht die Angst vor dem Gesetz oder mein Sturz in den Augen aller, die mich kannten, ist, was mich am meisten betrübt, sondern der Gedanke, daß Du für mich erröten mußt - Du, der Du mich liebst und selten, so hoffe ich wenigstens, Grund hattest, mir Deinen Respekt zu versagen. Aber wenn das Unheil, das auf ewig an mir hängt, wirklich auf mich niederstürzt, möchte ich, daß Du von mir erfährst, inwieweit ich schuldig geworden bin. Sollte indes alles gut gehen (was Gott geben möge), so beschwöre ich Dich bei allem, was Dir heilig ist, beim Andenken an Deine liebe Mutter, diese Papiere ins Feuer zu werfen und keinen weiteren Gedanken an sie zu verschwenden.
Wenn Du nun aber weiterliest, weiß ich, daß ich bereits bloßgestellt und von Haus und Hof verjagt worden bin oder, was noch wahrscheinlicher ist- denn mein Herz ist schwach, wie Du weißt-, meine Lippen auf ewig versiegelt sind. In jedem Fall ist die Zeit der Heimlichkeiten vorüber. Jedes Wort, das Du hier liest, ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, das schwöre ich, so wahr mir Gott helfe. Mein lieber Junge- ich heiße nicht Trevor, sondern wurde als James Armitage geboren. Vielleicht kannst du jetzt den Schrecken verstehen, den mir Dein junger Studiengefährte vor ein paar Wochen einjagte, als ich annehmen mußte, er habe mein Geheimnis entdeckt. Als Armitage trat ich in eine Bank ein, als Armitage kam ich mit dem Gesetz in Konflikt und wurde zur Deportation verurteilt. Urteile nicht zu streng über mich, mein Sohn. Es handelte sich um eine sogenannte Ehrenschuld, die ich begleichen mußte, und ich beglich sie mit Geld, das mir nicht gehörte, weil ich sicher war, es zurückzahlen zu können, bevor man es vermissen würde. Aber ich war vom Pech verfolgt. Das Geld, mit dem ich gerechnet hatte, kam niemals an, und eine vo rzeitige Buchprüfung entdeckte mein Defizit. Vor dreißig Jahren wurde das Gesetz noch strenger gehandhabt als heute, und an meinem dreiundzwanzigsten Geburtstag befand ich mich zusammen mit siebenunddreißig anderen Häftlingen in Ketten auf dem Zwischendeck der Gloria Scott. Unser Ziel war Australien.
Wir schrieben 1855. Der Krimkrieg war auf seinem Höhepunkt angelangt, und die alten Sträflingsschiffe wurden größtenteils als Truppentransporter ins Schwarze Meer eingesetzt.
Deshalb wurden die Sträflinge notgedrungen auf kleineren und weniger geeigneten Schiffen deportiert. Die Gloria Scott war eine altmodische, behäbige Barke, die im chinesischen Teehandel ein gesetzt gewesen war, bis die schnellen neuen Segler sie unrentabel machten. Sie hatte 500 Tonnen und außer ihren achtunddreißig Galgenvögeln noch sechsundzwanzig Mann Besatzung, achtzehn Soldaten, einen Kapitän, drei Offiziere, einen Doktor, einen Geistlichen und vier Wärter an Bord, hatte, alles in allem, an die hundert Seelen, als wir von Falmouth ausliefen.
Die Trennwände zwischen den einzelnen Zellen waren nicht, wie auf Sträflingsschiffen üblich, aus dicken Eichenbohlen, sondern ziemlich dünn und gebrechlich. Den Mann, der die Zelle achtern neben mir bewohnte, hatte ich schon bemerkt, als wir den Kai entlanggeführt wurden. Er war noch jung, hatte ein klares, bartloses
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