Das Reigate-Rätsel
ich, >dann haben wir damit das letzte Glied in der Kette, das wir brauchen, das Rätsel zu lösen. Ich muß Ihnen gratulieren, Musgrave, Sie sind nämlich durch tragische Umstände in den Besitz eines großen Schatzes gelangt. Diese unansehnlichen Dinge hier haben einen große n Wert, aber darüber hinaus haben sie einen enormen geschichtlichen Wert.<
>Was ist es denn?< fragte er mit atemlosem Staunen.
>Es ist nicht weniger als die uralte Krone der Könige von England.,
>Die Krone!<
>Richtig! Bedenken Sie einmal in diesem Licht den Wortlaut des Rituals: >Wem hat sie gehört?<
- >Dem, der gegangen ist.< Das war nach der Exekution Charles I. Danach >Wer soll sie haben?< - >Er, der kommen wird!< Das war Charles II., dessen Ankunft man schon voraussehen konnte. Es kann gar keinen Zweifel daran geben, daß dieses schmutzige und verbogene Diadem einst die Häupter der königlichen Stuarts geschmückt hat.<
>Aber wie kam sie in den See?<
>Das ist eine gute Frage, und es wird wohl ein Weilchen dauern, bis wir sie beantworten können<, sagte ich und begann ihm meine lange Kette an Vermutungen und Bestätigungen darzulegen. Aus der Dämmerung war Nacht geworden. Der Mond war hinter den Wolken hervorgekommen und schien hell am Himmel, bevor ich meine Geschichte beendet hatte.
>Und wie mag es gekommen sein, daß Charles seine Krone nicht bekam, nachdem er nach England zurückgekehrt war?< fragte Musgrave und schob die Schätze in den leinenen Beutel zurück.
>Ah, da legen Sie Ihren Finger an einen Punkt, über den wir wohl nie Auskunft erhalten werden.
Möglicherweise starben die Musgraves, die in das Geheimnis eingeweiht waren.
Inzwischen mußte jeder Nachkomme dieses Ritual lernen, ohne aufgeklärt werden zu können, was es wirklich bedeutete. Das Geheimnis wurde weitergegeben, immer vom Vater auf den Sohn, bis eines Tages jemand kam, der den Musgraves dieses Geheimnis zu entreißen suchte und sein Leben dabei verlor.<
Das ist die Geschichte des Musgrave-Rituals, Watson. Die Krone wird immer noch in Hurlstone aufbewahrt, obgleich es gerichtliche Schwierigkeiten gab. Sie mußten auch ziemlich viel Geld dafür zahlen, daß sie sie behalten durften. Ich bin sicher, daß man sie Ihnen gerne zeigen wird, wenn Sie dorthin fahren und meinen Namen nennen. Von der Frau hat man niemals wieder etwas gehört. Möglicherweise ist sie aus England geflohen und trägt nun die Erinnerung an ihr Verbrechen in Übersee mit sich herum.«
Das Reigate-Raetsel
Im Frühjahr `87 lag mein Freund Sherlock Holmes mit schweren gesundheitlichen Schäden danieder. Er hatte seine schier unverwüstlich scheinenden Kräfte in einem solchen Maße in seine Arbeit eingesetzt, daß seine Gesundheit völlig zusammengebrochen war. Es dauerte lange, bis er wieder zu Kräften kam. Um nur einen von den kräfteraubenden Fällen zu erwähnen, nenne ich den Konflikt der Niederländischen Sumatra-Gesellschaft. Die gigantischen Pläne des Barons Maupertius sind immer noch frisch im Gedächtnis der Bevölkerung. Diese Maupertius-Pläne sind zu sehr mit Politik und öffentlichen Finanzen verquickt, als daß man eine geeignete Serie über sie schreiben könnte, ohne indiskret zu werden, auf indirektem Wege verhalfen sie jedoch meinem Freund dazu, ein Beispiel seines großen Könnens abzugeben. In seinem lebenslangen Kampf gegen das Verbrechen war es ihm damals möglich, völlig neue Waffen einzusetzen.
Als ich meine Notizen durchblätterte, erinnerte ich mich wieder deutlich an die Zeit. Wir schrieben den 14. April, als ich ein Telegramm aus Lyon erhielt, in dem mir mitgeteilt wurde, Sherlock Holmes läge im Hotel Dulong krank danieder. Vierundzwanzig Stunden später befand ich mich in seinem Krankenzimmer. Ich war erleichtert, denn die Symptome schienen mir nicht lebensgefährlich zu sein. Jedoch hatte selbst seine eiserne Natur den enormen Anstrengungen einer mühseligen Untersuchung, die über zwei Monate gedauert hatte, nicht standhalten können.
Er war unter der Arbeitslast zusammengebrochen. Während der letzten zwei Monate hatte er täglich mehr als fünfzehn Stunden gearbeitet. Mehr als einmal, versicherte er mir, sei er hintereinander an die fünf Tage, ohne sich eine Pause zu gönnen, an der Arbeit gewesen. Nicht einmal die triumphalen Erfolge seines Einsatzes konnten ihm diesen Zusammenbruch nach der völligen Überarbeitung ersparen. Um die gleiche Zeit, als in Europa von einem Ende bis zum anderen sein Name rühmlich genannt wurde und ich in
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