Das Reisebureau Thompson und Comp.
Überwachung hatte er bisher stillgeschwiegen. Auch jetzt wich er noch einmal davor zurück, das so heikle Thema anzuschneiden, und beschloß nur, desto schärfer zu wachen.
In weniger als drei Stunden kam die Gesellschaft nach Gualdar, der Residenz der alten Könige der Berber an der Nordwestküste der Insel, und nachdem auf dem Rückwege der kleine Flecken Agaëte passiert worden war, traf sie gegen fünf Uhr in Artenara ein.
Das Dorf Artenara, das sich an den innern Abhang des Kessels von Tejeda in einer zwölfhundert Meter übersteigenden Höhe anschmiegt, ist das höchstgelegne der ganzen Insel. Von hier aus bietet sich eine entzückende Aussicht. Der kreisförmige Platz ohne eine Erdsenkung und ohne einen einzigen Riß in seiner Wand zeigt dem erstaunten Auge seinen elliptischen Umkreis von fünfunddreißig Kilometern, von dem nach der Mitte zu sich Bäche zwischen Ketten von bewaldeten Hügeln hinschlängeln, während sich verschiedene Weiler unter dem Grün verstecken.
Das Dorf selbst ist sehr merkwürdig. Von Kohlenbrennern bevölkert, die, wenn man nicht Ordnung geschaffen hätte, bald die ganze Insel der letzten Reste der Vegetation beraubt hätten, ist Artenara eine Wohnstätte von Troglodyten. Nur der Turm der Kirche ragt hier in die Luft empor, die Wohnungen der Menschen aber sind in der Kesselwand ausgehöhlt. Sie liegen da eine über der andern und erhalten einiges Licht durch leere Öffnungen, die die Rolle der Fenster spielen. Der Fußboden der Wohnungen ist mit Matten bedeckt, worauf sich die Bewohner, um zu essen, niederkauern. Was andre Sitzgelegenheiten und Lagerstätten betrifft, hat die Natur dafür die Kosten tragen müssen, und die findigen Kanarier haben sich darauf beschränkt, diese gleich aus dem Tuffstein auszumeißeln.
Die Nacht in Artenara zuzubringen, davon konnte keine Rede sein, das Unterkommen bei diesen Troglodyten wäre doch gar zu mangelhaft gewesen. Man entschloß sich deshalb also zu einem weitern, einstündigen Marsch und erreichte gegen sechs Uhr endlich Tejeda, einen kleinen Flecken, der dem Kessel seinen Namen verliehen hat.
Es war auch die höchste Zeit. Einige der Touristen konnten nicht mehr; vorzüglich für die drei Blockheads wäre eine Verlängerung des Weges rein unmöglich auszuhalten gewesen. Abwechselnd gelb, grün und weiß aussehend, hätten Miß Mary und Miß Beß geradezu eine Heldenseele haben müssen, die ihnen von ihrer Menschenfreundlichkeit auferlegte Pflicht noch weiter zu erfüllen. Wie viele schmerzliche Aufschreie hatten sie schon ersticken müssen bei den Stößen, die sie von ihren Reittieren erlitten! Doch welchen Seufzer der Erleichterung ließen sie vernehmen, als der Hafen, d. h. die Herberge, endlich erreicht war, deren Wirt die ungewöhnliche Menge von Gästen höchst bestürzt anstarrte.
Ja, es war eine Herberge. nichts andres als eine solche, wohin der kanarische Führer den Zug der Touristen gebracht hatte. Da sie ihm genügte, mochte er geglaubt haben, daß sie auch den andern genügen müßte, und er begriff gar nicht die mürrischen Gesichter, die sein Signal zum Anhalten beantworteten. Jedenfalls war es aber zu spät, etwas dagegen zu tun. Da es in Tejeda nichts Besseres als diese Herberge gab, mußte man wohl oder übel damit zufrieden sein.
Caldeira de Bandana.
So manches war hier aber noch schlimmer als der äußere Schein. Die fünfzehn Touristen bekamen zwar zu essen, doch wieder nur einen abscheulichen Gosio; nochmals die Veranlassung zu einer neuen Anmerkung im Notizbuche des Mr. Saunders.
Wenn es nun mit Aufbietung alles Scharfsinns auch gelang, für die Damen ein halbwegs annehmbares Unterkommen zu finden, so mußten sich doch die Herren, in Mäntel, Decken, selbst in Säcke eingehüllt, mit dem Fußboden der Stuben oder auch mit dem Grase unter freiem Himmel als Lagerstätten abzufinden suchen.
Wohl ist das Klima der Kanarischen Inseln sehr mild, dennoch herrscht bei Sonnenaufgang hier stets eine gewisse Morgenfrische, bei der man sich recht leicht einen Rheumatismus holen kann. Dem Sir Hamilton sollte die Kenntnis dieses geographischen Details nicht vorenthalten bleiben: gegen Morgen erwachte er mit heftigen Gelenkschmerzen, so daß er sich tüchtig frottieren mußte, was nun freilich nicht ohne greuliche Verwünschungen des niederträchtigen Thompson abging, dem er all dieses Ungemach verdankte.
Saunders betrachtete ihn inzwischen mit neidischem Blicke: er hätte sich selbst so gern der gleichen
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