Das Rennen zum Mars
Empfindungsvermögen besitzt, aber keine Intelligenz.«
»Also?«
Sie war selbst unschlüssig, und mit jedem Atemzug wurde ihr Handlungsspielraum enger. Stellte dieses Gebilde den Versuch dar, mit ihnen Kontakt aufzunehmen? Oder eine Drohung? Wie sollten sie die Matte dazu bewegen, das Ventil zu öffnen? Mit Lärm? Bei der dünnen Atmosphäre war es unwahrscheinlich, daß die Matte auf Schall reagierte. Die Handscheinwerfer? Welches Signal sollten sie senden? Schließlich hatten sie die Kaverne schon ausgeleuchtet.
Ihr Herz hämmerte nun noch stärker. Sie wußte, daß sie die aufsteigende Panik nur durch logisches, stringentes Denken zu unterdrücken vermochte. Reagiere später.
»Die Matte muß auf chemische Stimuli reagieren. Wenn sie die Gase, die aus den Tiefen des Planeten aufsteigen, nicht verträgt, dann muß sie diese Substanzen irgendwie ausfiltern und andere Stoffe abstoßen.«
»Dann müssen wir sie also giftigen Stoffen aussetzen, damit sie uns freiläßt?«
»Vielleicht ist Chen auch auf diese Idee gekommen. Das würde die Verätzungen der Matte erklären.«
»Nur daß es nicht funktioniert hat.«
»Vielleicht müssen wir die Dosis erhöhen, damit das ganze System darauf anspricht.«
»Und womit?«
»Ihre Sauerstoffflaschen.«
»Das ist unsre Reserve!« Marc wurde ungeduldig.
»Hast du schon mal einen Blick auf die Anschlüsse geworfen? Es sind Schraub- und keine Bajonettverschlüsse, wie wir sie verwenden. Also würden ihre Flaschen uns eh nichts nützen.«
»Verdammt. Nein, das sehe ich eben erst.«
»Dann gibt es auch keinen Grund, weshalb wir es nicht versuchen sollten.«
»Wenn es nach mir ginge, würde ich den Verschluß dort oben einfach knacken.«
»Es spricht nichts dagegen, uns beide Möglichkeiten offenzuhalten.«
»Wir sollten diese Möglichkeiten auch nutzen, denn mehr haben wir nicht.«
Sie setzte einen Funkspruch an Viktor ab, wobei der Rover als Relaisstation diente. Dann wüßten sie wenigstens Bescheid …
Die Winden strengten sich an – überlaste sie bloß nicht ! –, um sie vor der glühenden, phosphoreszenten Matte mit dem humanoiden Auswuchs, den Elefantenohren und dem mit schillernden Flecken übersäten Rumpf in Sicherheit zu bringen. Eine durch und durch fremdartige Masse.
In der dräuenden Dunkelheit schmerzten Julia plötzlich die Glieder, und der Atem ging stoßweise. Erschöpfung? Oder Angst? …
Beides.
Ein Teil von ihr fragte sich, mit welcher Botschaft sie sich an diesem fremdartigen Ort einführen sollten und wie sie auf dieses Wesen, eine hochentwickelte marsianische Lebensform, wohl wirkten.
Sie wußte es natürlich nicht. Aber hatten sie eine Wahl?
Sie schaute hinab auf die klobige humanoide Form, die aus der Matte ragte. Die Forscherin in ihr wollte bleiben und das Gebilde studieren, doch die Nerven schrien hau ab !
Reagiere später , sagte sie sich. Denke logisch.
Während des Aufstiegs öffnete sie den Verschluß der Airbus-Sauerstoffflasche. Ein feuchter Nebel quoll aus der Öffnung, der sofort zu Schnee kondensierte. Das Wasser in den Druckbehältern gefror beim Kontakt mit der eiskalten Luft.
Dieser Dampf stammt von der Matte selbst und nicht etwa von heißem Gas, das aus dem Mantel des Planeten aufsteigt. Die Matte setzt ihn frei … wieso?
Der farblose Sauerstoff versetzte die Nebelbänke, die die Lichtkegel der Scheinwerfer flankierten, in Wallung. Sie glitt aufwärts durch ein Universum, das sie sich nie hätte träumen lassen – eine schemenhafte, bewölkte Welt aus diffusem Licht, das von schwacher Strahlungsenergie zum Pulsieren angeregt wurde.
Die konventionellen Deutungsmuster versagten hier. Nicht einmal für den Tod der beiden Airbus-Astronauten gab es bisher eine plausible Erklärung. Es handelte sich hier um eine Lebensform, für die es in der irdischen Biologie nichts Vergleichbares gab. Sie hatte sich aus Lebensformen entwickelt, die älter waren als die irdischen Kontinente und befand sich noch immer in einem Entwicklungsprozeß.
Die unverwüstliche Entität behauptete sich nicht nur unter sehr ungünstigen Bedingungen, sondern eroberte sogar neues Terrain.
Sie richtete den Auslaß der Sauerstoffflasche auf einen Abschnitt der Matte und besprühte ihn mit eiskaltem Gas. Die Matte zuckte sichtlich.
»Gut«, rief Marc und folgte ihrem Beispiel.
Als sie sich der Ventil-Membran näherten, tauchten sie in einen Nebel ein, der zur Decke hin immer dichter wurde. Die Seile glitten durchs enge Loch mit dem
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