Das Rennen zum Mars
Aufnahmen von den Besatzungsmitgliedern in den farbigen Druckanzügen gemacht – blau, gelb, grün und purpur –, wie sie mit einem Mars-Riegel vor einer Science Fiction-Kulisse posierten. Jeder bekam fünftausend Dollar pro Aufnahme, und der Schokoriegel-Fabrikant legte noch einmal zehntausend Dollar pro Pfund drauf, um eine Kiste voller Mars-Riegel für Fototermine zum Mars zu schicken. Das ging der Besatzung nach einer Weile gehörig auf die Nerven, doch dafür delektierten sie sich an den verdammten Riegeln. Einen reservierten sie für Außenaufnahmen, wobei er alsbald mit Peroxiden kontaminiert wurde. Die anderen aßen sie zum Nachtisch. In der Kälte wurden die Kalorien wie nichts verbrannt, und Julia bekam einen unstillbaren Hunger auf Süßes. Sie war sich sicher, daß sie nach der Heimkehr in keinen einzigen Schokoriegel mehr beißen würde, selbst wenn die Firma Mars ihr eine Vertragsverlängerung anbieten sollte.
Julia taufte den rot umhüllten Schokoriegel auf den Namen ›Ego-Riegel‹. Sie war nämlich der Meinung, es sei zu viel der Ehre, einen profanen Schmatzriegel nach einem Planeten und gar einem antiken Gott zu benennen; und die anderen übernahmen die Bezeichnung.
Alternativ hatte man in Erwägung gezogen, Mars-Leben auf dem Einwickelpapier abzubilden; weil Steine mit Wellenmustern aber niemanden vom Hocker reißen würden, hatte die Firma beschlossen, es beim Ego-Riegel zu belassen.
Irgendwie hatte sie noch immer Vorbehalte gegen die Kommerzialisierung der Mars-Mission. Als sie den Vertrag unterschrieb, war ihr aber klar gewesen, worauf sie sich einließ. Sie hatte natürlich gewußt, daß das Konsortium von materiell orientierten Managern geführt wurde, doch hatte sie ihnen in ihrer Naivität eine andere Haltung unterstellt – etwa diese: Wir tun das, um den Menschen eine Freude zu bereiten. Sehr bald mußte sie jedoch erkennen, daß selbst die Erforschung des Mars von den Managern ausschließlich unter folgendem Aspekt betrachtet wurde: Wir tun das, um die Einschaltquoten und/oder die kurzfristige Rentabilität zu maximieren. So viel also zur Einstellung und Motivation auf der Erde.
Der Mars indes ließ sich davon nicht beeindrucken. Er war so urwüchsig und exotisch wie eh und je. Und genauso tödlich.
Sie schnaubten, als Janet die erwartete Frage stellte. Sie wirkte peinlich berührt, doch was sollte sie tun? »Und wie fühlt ihr euch, wo Airbus euch auf die Pelle rückt und euer Start …«
Marc fiel Janet ins Wort. »Wir werden ihnen auf dem Rückflug zuwinken.«
Das war ihr Standardspruch.
Dann erwähnten sie die Geschichte mit den Pingos . Die Erde hatte das Bildmaterial bereits erhalten und in der Zwischenzeit auch darauf reagiert. Axelrods Medienberater hatten beschlossen, die Sache groß rauszubringen. Ein weiterer großer Erfolg für die Mission: WASSER auf dem Mars! Pflichtschuldig legte Janet dem Team eine lange Liste mit Standardfragen vor: wieviel Wasser sie gefunden hätten, was der Fund von Wasser für die Mission bedeutete etc. In ihrer Eigenschaft als ›Co-Entdecker‹ beantworteten Marc und Raoul die Fragen, so daß Julia Gelegenheit zum Nachdenken hatte.
Ja, was bedeutete das Wasser? Sie lehnte sich zurück, und in ihrer Vorstellung verwandelte der Mars sich aus einer kalten, staubigen Wüste in eine wasserreiche Welt, die Leben hervorbrachte. Unter einer Druckkuppel stieg die Temperatur durch den Treibhauseffekt auf einen Wert, bei dem Leben möglich war. Eine Kolonie würde Pflanzen ziehen, Wasserbecken und sogar Springbrunnen anlegen, falls die Gelegenheit sich bot. Sie lächelte, als vor dem geistigen Auge Habitate erschienen, die durch Alleen miteinander verbunden waren, für deren Begehung man weder Helm noch Anzug brauchte; doch dann schreckte sie aus dem Tagtraum auf und wurde sich bewußt, daß sie das nie erleben würde. Sie würden in wenigen Wochen zur Erde zurückkehren.
Ein paar kurze Wochen , sagte eine innere Stimme.
Eigenartig. Nachdem sie angekommen waren, hatten sie das Gefühl gehabt, eine halbe Ewigkeit würde vor ihnen liegen. Nun hatten sie unverhofft eine große Entdeckung gemacht, aber so spät …
Plötzlich erinnerte sie sich wieder an die Probe, die sie neben der Fumarole genommen hatte. Sie hatte sich solche Sorgen um Viktor gemacht, daß sie gar nicht mehr daran gedacht hatte!
Mental schaltete sie sich wieder in die Übertragung zu und wünschte sich, die Sache wäre schon vorbei. Sie zog in Erwägung, sich zu verdrücken.
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