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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Teller.
    Sein Magen zog sich zusammen.
    »Was ist, Hendrik?«
    Ja, was? Es waren ihre Augen, das dunkle Leuchten, das aus ihnen hervorbrach. Ihre Nähe verwirrte ihn. Er hatte sich daran gewöhnt, den unbeteiligten, höflichen, stets vorsichtigen und aufmerksamen Freund des Hauses zu spielen, und die Rolle war ihm nur ein einziges Mal schwergefallen: Damals in der Bucht, in dieser schrecklichen Sekunde, als der Hai nach ihnen schnappte und sie zitternd in seinen Armen lag. Anschließend hatte er von ihr geträumt, das ja, oft genug, zu oft vielleicht – um dann wieder in den Strudel von Zweifeln und sinnlosen Selbstanklagen zu verfallen.
    Irgendwie hatten sie beide dieselben Karten im Leben gezogen. Und das war's, was die Geschichte so verflucht schwierig machte und ihm jede Unbefangenheit nahm.
    »Hendrik, deine Frau ist gestorben, nicht wahr?«
    Er schüttelte den Kopf. »Sie war nicht meine Frau.«
    »Aber du hast sie geliebt?«
    »Wir hatten kaum Zeit dazu …«
    Wie Mary hatte auch Lanei'ta wunderschöne Hände. Es war das erste, was ihm an ihr aufgefallen war. Und diese Hände strichen nun unruhig über das tiefdunkel gemaserte Holz des Tisches.
    »Aber du weißt, wie das ist.«
    Er nickte. Er glaubte, sie verstanden zu haben.
    Der Kleine hatte es geschafft. Jacky zog sich an Hendriks Knie hoch. Der Mann half ihm nach. »Henni – Henni …« Aber klar, dachte er mit einer Anwandlung von Rührung und Bitterkeit, wer denn sonst? Der ›Onkel Henni‹, allseits beliebt, für viele brauchbar, im großen und ganzen doch recht erfolglos. Da habt ihr ihn! – Er begann hastig weiterzulöffeln und spürte ihren Blick auf sich, spürte ihn wie den Wärmehauch einer Heizsonne.
    »Ron hatte recht gehabt.«
    Er ließ den Löffel sinken. »Womit? Was meinst du?«
    »Ron war es, der mir immer sagte, daß man sich vom Leben nicht trennen darf, weil das Leben ein Geschenk sei …«
    »Er hat recht.«
    »Weißt du, wann ich wußte, daß es die Wahrheit ist? Auf dem Felsen. Als wir vor dem Hai geflüchtet sind …«
    »Ja?«
    »Es … es ist so schwierig zu erklären! Ich weiß nicht, ob du verstehst …« Ihre Stimme war voller Zweifel, und diese Unsicherheit brachte sie wohl dazu, in ihr Englisch tongaische Worte einzuflechten. »Als ich dich zum ersten Mal sah, als ich mir sagte, er ist nicht nur wie Jack – es ist Jack, die Stimme … alles … da dachte ich … Entschuldige …«
    Sie wollte aufstehen. Er aber streckte die Hand aus, legte sie um ihren Unterarm und hielt sie fest. »Lanei'ta …«
    Sie hatte die Augen halb geschlossen. Eine Träne löste sich aus ihren Wimpern, lief über die Wange zum rechten Mundwinkel. Und der Kleine kicherte und schlug vergnügt gegen seinen Bauch.
    »Wenn jemand stirbt«, sagte sie erstickt, »dann ist es manchmal, als würde die Welt untergehen.«
    »Ja. Ich weiß.«
    »Aber sie geht ja nicht unter. Man sieht sie nur nicht mehr.«
    »Ja, Lanei'ta. Auch das gehört dazu.«
    Sie sah ihn nur an mit diesen tränenschwimmenden Augen. Und er stand auf, nahm ein Stück rotes Tuch, das noch immer auf der Ecke des Tisches lag, und tupfte ihre Wimpern trocken.
    In dieser Nacht ging Hendrik nicht in sein Zimmer neben der Werkstatt. Er blieb bei Lanei'ta …

8
    Er schüttelte sich, versuchte mit aller Kraft gegen den ekelhaften Kokon aus bleierner Benommenheit und Schmerzen anzukämpfen. Er lag auf der Seite. Die Schiene war immerhin auf ein Kissen gebettet. Es war nicht gerade die ideale Lage für einen Arm, der nach Hendrik Merz' Aussagen ›hoffnungslos verpfuscht‹ schien.
    Trotz der ganzen beschissenen Spritzen und Tabletten, trotz dieses elenden Dolantins, das jede Empfindung abdeckte wie eine undurchlässige, unangenehme Filzschicht, fühlte Ron so etwas wie Triumph: Nicht der Wecker hatte ihn geweckt, er war von selbst erwacht! Tama schlief drüben in ihrem Zimmer. Sie hatte gestern abend darauf bestanden. Und das war gut so. Er aber hatte wieder geträumt – irgendeinen dieser idiotischen Nomuka'ta-Träume. Seine Erinnerung hielt nur einen Fetzen fest: Nomuka'ta, den Arm erhoben, die Hand drohend zur Faust geballt …
    Er stand auf und bewegte die Rücken-, Nacken- und Schultermuskeln wie ein Boxer vor einer Trainingsrunde. Es ging … Dann fühlte er über den Arm. Auch er verhielt sich friedlich. Hendriks Penicillin hatte gewirkt.
    Nichts zu machen, Nomuka'ta … Tut mir leid.
    Die Schwüle setzte ihm zu. Woher kam sie so früh am Morgen? Eine knisternde Elektrizität hing in der

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