Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Luft, dazu kam das Gefühl, als drückten die eisernen Backen eines Schraubstocks einem die Schläfen ein. Manchmal, auf See, hatte ihm seine Wetterfühligkeit geholfen, weil sie ihn warnte.
    Tiefdruck also. Na, laß ihn kommen, den Tiefdruck …
    Ron stieg in seine Shorts und schlüpfte in die Gummisandalen. Der Arm war tatsächlich abgeschwollen. Er machte sich keine Illusionen: Der elende Nagel dort drin hatte neue Spitzen bekommen. Die begannen bereits von innen in sein Fleisch zu stechen und erinnerten ihn daran, daß ihm die Stunden davonflogen.
    A BPFIFF , J UNGE ! FÜR DICH IST DAS S PIEL VORBEI , UND VON MIR KANNST DU NICHT ERWARTEN , DASS ICH NOCH WEITER DIE V ERANTWORTUNG ÜBERNEHME …
    Soweit Hendrik. Er machte es sich einfach. Jawohl, Herr Doktor, dachte Ron. Dann eben ohne dich! Hastig trank er den Rest seines Kaffees aus und sah auf die Uhr: sieben Uhr vierzig.
    Schwarz, wie Tuschzeichnungen standen die Palmen vor dem Stahlgrau, das ihn draußen erwartete ; ja – ein Himmel aus Stahl, der Pazifik wie stumpfes, schmutziges Zinn! Nichts, das sich regte.
    Er blickte zum Garten hinüber. Die Hühner, die um diese Zeit sonst eifrig ihre Regenwürmer pickten, hockten reglos wie braune, unförmige Klumpen in ihren Verschlägen. Über allem, über Bäumen, Blättern und Sträuchern aber lag ein bleierner Hauch. Das alles hast du doch schon einmal erlebt, dachte Ron. Wann? – An dem Morgen, als du trotz Nomuka'tas Tabu in die Bucht gingst und gegen den Weißen Hai angetaucht warst. Dieselbe Stimmung … dieselbe Vorahnung, daß irgend etwas Unbenennbares, Bösartiges auf ihn lauerte …
    Doch es war gutgegangen.
    Es würde auch heute gutgehen. Es mußte!
    Herrgott: Hatten sie nicht gestern in weniger als einer Stunde siebenundzwanzig Perlen heraufgeholt? Nun noch einmal dasselbe, vielleicht auch weniger – zwanzig würden ausreichen, ja, zwanzig wären genug. Das waren zusammen mindestens fünfundzwanzigtausend Dollar … Na bitte!
    ***
    Afa'Tolous Fale und die kleinere Hütte, in der sein Bruder Wa'tau lebte, standen in einer großen Lichtung am Südende der Palmenpflanzung.
    Wa'tau war im Garten. Er stand über seinen aus einem Baumstamm gehauenen Holztrog gebückt und wusch sich. Der braunschimmernde, nasse Oberkörper schien unter all den abgestorbenen Farben das einzig Lebendige. Nun richtete er sich auf. Die weißen Zähne leuchteten. Er hob die Hand und winkte. Ron zeigte zum Himmel.
    Wa'tau nickte und ließ auf seinem jungen Gesicht den Ausdruck von Besorgnis entstehen.
    »Macht nichts«, sagte Ron.
    Und Wa'tau nickte wieder. Es war wie am Anfang von Rons Zeit auf Tonu'Ata, als er mit den wenigen Sprachbrocken, die er gelernt hatte, um sich warf und, wo er auch hinkam, dasselbe Nicken und Lächeln erntete.
    Ron erklärte, was er vorhatte. Für seinen Geschmack erklärte er es gut und überzeugend, und Wa'tau nickte und nickte und lächelte wieder, doch dies brauchte gar nichts zu bedeuten. Einer Bitte mit einer Ablehnung, einem klaren ›ikai‹ zu begegnen, war auf der Insel nur bei den nächsten Verwandten möglich, für alle anderen galt eine solche Reaktion als höchst anstößig.
    Da er nicht so recht wußte, wie er weiter vorgehen sollte, suchte Ron Hilfe bei Göttern und Geistern: »Wa'tau! Heute nacht kam Nomuka'tas Geist zu mir und sagte, wir würden noch viel, viel mehr Perlen finden. Dabei waren es gestern schon so viele.«
    »Viele, viele.«
    »Kommst du mit?«
    Wa'tau sah hinüber zum Haus seines Bruders.
    In Rons Arm meldeten sich die Nagelspitzen. Es war nun ganz still, und es war eine unheimliche Stille, weil selbst die Riffbrandung stumm blieb. Die Schmerzen aber brüllten ihren elenden Höllenchor. Er lächelte, brachte es fertig zu lächeln, obwohl sich der Schweiß unter seinen Haaren sammelte und über die Kopfhaut zum Nacken hinunterrann. Das hier mußte er durchstehen. Die Pillen konnte er nehmen, sobald sie an Bord waren. Wir – wir beide. Wa'tau und ich … Vielleicht war das nicht einmal die schlechteste Lösung. Ein Mann im Käfig genügt. Nur eine Stunde würde, mußte ausreichen …
    Ein neuer Blick zum Horizont, wo sich hinter dem Dunst dieses dunkel-schmutzige, keilförmige Wolkengebilde hervorhob, überzeugte Ron: Afa würde ablehnen. Das schien ihm nun sicher ; Afa war Fischer. Er kannte das Wetter. Fischer sind vorsichtig. Er biß die Zähne zusammen.
    In diesem Augenblick ging drüben am Fale die Tür auf, und Afa erschien. Langsam kam er über den Sand. Er trug

Weitere Kostenlose Bücher