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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einem Knäuel: ihre Liebe zu dir, diese große, ja, furchtbare Liebe, die Unfähigkeit, den Verlust zu verarbeiten, und der ganze blödsinnige Aberglaube, den sie mitbekommen hat … Ich müßte sie einfach zwingen. Nur wie?
    Müßte? – Was tat er? Nichts …
    »Wir werden darüber reden«, sagte er. »Schon wegen des Kleinen.«
    »Ihm geht es gut.«
    »Natürlich … natürlich.«
    Sie gab ihm den Topf. Er überlegte sich einen passablen Rückzug. »Lanei'ta, wir waren heute mit der ›Paradies‹ draußen, um nach Holz zu sehen. Und wir haben welches gefunden. Tiunastämme, fast zwanzig. Wunderbare Stämme.«
    »Ja, Ovaku.«
    Ja, Ovaku? Und damit hat es sich, verdammt noch mal?
    Er nahm sich zusammen: »Geh doch bitte zu deinem Vater und erzähl's ihm. Wie gesagt, die Stämme liegen in dieser kleinen Bucht direkt unterm Fels. Er kann morgen die Kanus hinschicken. Aber es wäre besser, wenn heute noch einige Männer rübergingen und die Stämme am Ufer festmachten, damit die Dünung sie nicht wieder hinausträgt. – Willst du mir den Gefallen tun? Du kannst ja den Kleinen bei uns lassen.«
    Und wieder das Kopfschütteln. »Nein, Jacky nehm' ich mit.«
    Er legte die Hand auf ihre Schulter. Ihr Blick senkte sich. Am liebsten hätte er sie jetzt an sich gezogen und gestreichelt. Aber er spürte die Spannung, den Widerstand und unterließ es.
    Immerhin, eines hatte er geschafft: Großvater Tápana konnte heute mit seinem Enkel spielen …

4
    Am Morgen des Tages, der den Gewittersturm brachte, stand der Mann, der seit Jahren wieder und wieder Ron Edwards Phantasie beschäftigte, am Pier des Hafens Puerto de Refugio auf Vava'U, der Hauptinsel der gleichnamigen Inselgruppe, und kontrollierte zwei Arbeiter, die gerade mit Hilfe eines Krans eine Palette niederließen. Zwölf kleinere Kisten mit Milchpulver standen darauf.
    Gilbert Descartes hatte nicht viel Mühe mit den Kisten. Er war ein Berg von Mann, ausgestattet mit einer solchen Fülle an Fleisch und Muskeln, daß er an einen japanischen Ringer erinnerte. Auch das hatte seinen Grund. In seiner Jugend, in der Jugend eines äußerst vielseitigen Lebens, hatte er es bis zum französischen Meister seiner Klasse als Judoka gebracht. Und die Art, wie er nun fast beschwingt und mit einer unglaublichen Leichtigkeit die schweren Kisten im Laderaum seines Schiffes verstaute und sie dort festlaschte, erinnerte daran.
    Fertig! Gilbert Descartes flankte über das Schanzdeck hinab auf den Zement, drehte sich um, stemmte die Fäuste an die Hüften und beäugte kritisch sein Boot. Sah ganz gut aus. Alles ordentlich getrimmt …
    Das Heck nicht so tief, genau richtig für schweres Wetter.
    In gewisser Weise ähnelte das Boot seinem Skipper: Das Alter war nicht mehr zu bestimmen, Boote wie dieses besorgten bereits in den zwanziger Jahren den Kopratransport zwischen den Inseln. Dazu schien es ein dutzendmal verändert und umgebaut, und jede Einzelheit verbarg sich hinter einer fleckigen, schwarzgrünen Schicht von Farbe. Der Mast, der ein Stag- und ein Gaffelsegel aufnehmen konnte, war kurz und gedrungen und wirkte – wie alles an diesem Boot – äußerst zuverlässig und kräftig.
    Am Bug stand in weißer, ziemlich unbeholfener Schrift: ›Ecole II‹.
    Wenn Descartes bisweilen gefragt wurde, wieso er seinem Kahn den sonderbaren Namen ›Schule II‹ gegeben hatte, antwortete er stets mit breitem Grinsen, wer damit zwischen den Inseln schippere, erfahre die ›einzig wahre Schule des Lebens‹.
    Aber dies war nur ein Teil der Wahrheit. Die ›Ecole II‹ erinnerte an die Zeiten, als Gilbert Descartes sich an einem Lyzeum in Lyon damit abquälte, jungen Mädchen, kleinen Teufeln von Ignoranten, die weiß Gott alles andere im Sinn hatten als dies, in die hohe Gedankenwelt der Philosophie einzuführen. Diese Mühe brachte ihm damals den Spitznamen ›Descartes‹ ein, denn es war ihm wichtig, Descartes' Modell der Vernunft in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen. Aber da er selbst nun doch kein rechter Descartesianer war, folgte bald der Rausschmiß aus dem Lehrerberuf, woran wiederum weniger der Stoff als vielmehr Paulette die Schuld trug, eine unglaublich hübsche und unglaublich frühreife Sechzehnjährige …
    An diese große Lebenspleite schloß sich nicht etwa ein ruhiges Leben in der Südsee an, sondern eine wilde, reichlich verworrene Phase, während der ihm die Philosophen einiges an Hilfestellung gaben. Schließlich, und das war nun auch schon wieder fünfzehn Jahre

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