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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seinen Nachbarn gerammt. Die Tür flog auf, ein dicker Mann sprang heraus und zerrte eine Frau hinter sich her. Auch die Menschen auf den Bürgersteigen hatten sich umgedreht und begannen zu rennen.
    Er wandte den Blick zum Platz. Dort, wo die Ampeln standen, die den Kreisverkehr regelten, schimmerte alles grau.
    Wasser. Eine Welle, eine Flutwelle von Wasser. Die Ampeln hatte sie bereits erreicht und abgeknickt.
    Nun brach sie in die Straße ein. Dort, wo sich die Wellen zu einer Gischtkrone erhoben, stand ein sonderbares, gespenstisches Wesen, lang, mager, wie aus Sehnen und braunem Leder zusammengedreht. Es stand auf dem Wellenkamm, den Kopf konnte er bereits erkennen, eine geschminkte Fratze mit zahnlosem Mund und tiefen Falten. Die Augen waren mit roter Farbe gerändert. Der Teufel als Wellenreiter. Und wie ein Wellenreiter hielt er sich auf dem tobenden Wall, seitlich, die Beine gegrätscht, als schieße er auf einem Surfbrett heran. Der rechte Arm war erhoben. Er deutete zu ihm: »Du hast es doch gewollt, Ovaku! Aber du wirst es nicht schaffen. Nie …«
    Und dann tobte die Welle durch die Straße, füllte sie mit schmutzigbraunem Rot. Und er wußte, daß die Schatten, die dort unter dem Braun hin und her huschten, Haie waren.
    Sein eigenes Stöhnen schreckte ihn hoch. Er setzte sich auf. Völlig dunkel war es. Er tastete nach der Wasserkaraffe, die stets auf einem niedrigen kleinen Tisch neben dem Bett bereitstand. Er fand sie nicht. Aber da lagen die Zigaretten, da war auch das Feuerzeug.
    Der Sturm zerrte am Dach, fauchte in den Bäumen, riß an den Palmen und erzeugte ein hohes, sirrendes, metallisch auf- und abebbendes Geräusch, das unterlegt war vom dunklen Grollen des Meeres dort draußen.
    In seinem Hinterkopf war ein feines, dünnes Stechen. Herrgott noch mal, und er hatte geglaubt, es hinter sich zu haben! Haie … Wasser … Nomuka'ta … Es ließ ihn nicht los.
    Er tastete über das Bett zu Tama, spürte die Wärme ihrer Haut, hielt ihren Arm umfaßt. Was war nur geschehen? Du darfst nicht, Ovaku … Du weißt es doch … Gut, er hatte es gewußt und war dennoch getaucht. Und sie hatte es hingenommen, war darüber hinweggegangen, hatte ihn geliebt, hatte gesagt: »Ich wußte es doch, Ovaku …« – Auch, daß er auf den Hai getroffen war, hatte sie gewußt. Wie eigentlich? Nun der Alptraum …
    Was war nur los auf dieser verdammten Insel? Was war aus ihm geworden? Die anderen lebten in ihrer eigenen Welt. Selbst Tama … Er konnte es leugnen, konnte sich selbst in die Tasche lügen, sich Illusionen machen, aber es brach doch immer wieder durch. Ja, wenn du irgend jemanden hättest, dachte er, mit dem du darüber reden könntest, der ähnlich denkt wie du, der aus derselben Vorstellungswelt kommt, einer Welt, in der es weder Geister noch tote Scharlatane gibt, die dir dann im Traum erscheinen und den Schlaf nehmen … Wenn Jack noch leben würde – mit Jack könntest du dich über alles unterhalten. Er hatte sich die gleichen Schuhe angezogen wie du. Aber Jack Willmore gab's nicht mehr.
    Irgend jemand … dachte er wieder. Ja, wenn, gottverflucht, wenigstens dieser Franzose mal herkäme! Einer wie er, der jahrelang zwischen den Inseln herumkreuzte, wußte wahrscheinlich am ehesten Bescheid.
    Aber vielleicht war auch Gilbert Descartes längst tot.
    ***
    Tama stand in der Küche und war dabei, Kokoscreme zu schlagen und den Hummer vorzubereiten, den sie zu Abend essen wollten.
    Der Kurzwellensender von R.O.M.-Tahiti brachte klassische Musik. Es war ein Violinkonzert von Mozart, und Ron konnte sich nur schwer davon lösen, um dann doch durch den Garten hinüber zu Lanei'ta zu gehen, wo er die geraspelten Yamswurzeln holen wollte, die Lanei'ta meist bereithielt.
    Als Jack noch lebte, hatten sie oft genug gemeinsam gegessen, und auch jetzt noch lud Lanei'ta Ron und Tama manchmal ein. Dann saßen sie draußen am Tisch unter dem großen Brotfruchtbaum ; aber diese Abende waren selten geworden. Lanei'ta beschränkte sich darauf, als die bessere Köchin, die sie nun mal war, Tama ein wenig zur Hand zu gehen, im übrigen aber schien sie auf ihre zurückhaltende, abwesende Art mehr und mehr auf Abstand bedacht, wobei sie sich Mühe gab, nicht verletzend zu wirken.
    Ron wiederum half ihr, wo er konnte, reparierte das Dach, hatte einen Ziegenstall gebaut, dann eine Radioantenne, damals, als ein vom Sturm herabgerissener Ast Jacks Antenne zerschlug.
    Auch Lanei'ta liebte westliche Musik, vor allem aber wollte

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