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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war. Mary war wegen irgendwelcher ungeklärter Unterleibsblutungen ins Hospital gekommen und von Dr. Hendrik Merz behandelt worden, der eine Zyste feststellte, ziemlich harmlos, aber doch behandlungsbedürftig. Hendrik Merz nahm die Operation selbst vor, eine Schwester, die noch in der Ausbildung stand, assistierte bei der Anästhesie.
    »Sie muß das Betäubungsmittel überdosiert haben. Versehentlich natürlich.« Dr. Nielsen sah hinaus aufs Meer: »Und Hendrik hatte wohl in dieser Sekunde seine Augen und seine Aufmerksamkeit woanders. Jedenfalls kam es zu einem Kreislaufkollaps und dann zum Herzversagen. Er brachte sie nicht mehr zurück. Sie ist ihm, wie es bei uns so schön heißt, auf dem Tisch geblieben … Und von dem Tag an war mit ihm nichts mehr anzufangen.«
    Descartes schluckte. »Kann ich mir vorstellen«, sagte er schließlich. »Und wann war das?«
    »Vor vier Monaten. Aber dann kam es noch schlimmer: Hendrik fing an zu saufen, kam betrunken in den Dienst und war kaum mehr zu gebrauchen. Doch das reichte ihm noch nicht. Er nahm Tabletten. Amphetamine. Er holte sie aus der Hospital-Apotheke. Er wurde dabei erwischt, und mir blieb nichts anderes übrig, als ihn rauszuschmeißen. – Er ist noch immer irgendwo hier in der Gegend. Aber nun ist er ein Wrack, psychisch wie körperlich …«
    Gilbert Descartes schwieg. Dann deutete er zu der Flasche: »Krieg' ich jetzt auch einen?«
    »Natürlich.« Der Arzt goß ein.
    »Amphetamine, sagen Sie? Das sind doch diese Mittel, die high machen – oder täusche ich mich?«
    »Es gibt die verschiedensten Sorten. Ich kenne nicht alle, ich bin kein Neurologe. Und was heißt ›high‹ – gut, es sind Antidepressiva, aber wenn man eine Depression überwindet, braucht man ja noch lange nicht glücklich zu sein.«
    »Das meinte ich nicht. – Und er nimmt Alkohol dazu, sagen Sie?«
    »Literweise. Eine üble Kombination …«
    Wieder schwieg Descartes lange. Dann sagte er: »Haben Sie zufällig eine Zigarette?«
    »Nicht zufällig. Ich habe immer welche. Leider.« Dr. Nielsen griff in die Tasche und schob ihm ein Päckchen zu. Gilbert Descartes zündete die Zigarette an, sog den Rauch tief in die Brust und sah ihm nach, wie er in leichten, kleinen Wölkchen vom Wind erfaßt wurde und davon trieb.
    »Ich habe lange nicht mehr geraucht. Genau gesagt, seit neun Jahren nicht … Ich werde auch nicht mehr rauchen … Nur die da, die zieh' ich durch.« Und dann sagte er noch etwas: »High ist ein sonderbares Wort, nicht? Und gar nicht so unzutreffend. Es heißt ›hoch‹. Verhält es sich nicht auch mit den Schmerzen so? Schmerz kann schweben lassen … Er befreit von allen Dingen, die uns sonst so wichtig sind. Aber das bedeutet auch, daß er den Absturz mit sich bringt. Und so sucht man nach einer neuen Kompensation, nach einem Zustand, der so intensiv wie die Liebe sein kann – oder der Schmerz.«
    »Kluge Sätze.«
    Gilbert Descartes schüttelte den Kopf. »Erfahrung, Doktor. Ich kannte mal einen, der hat genau dasselbe durchgemacht.«
    »Und wer war das?«
    »Ich.«
    Dr. Knud Nielsen nickte. »Hab' ich mir gedacht«, sagte er.
    ***
    Als Gilbert Descartes das Krankenhaus verließ, sah er einen Mann, der quer über den Hof auf einen feuerwehrrot gestrichenen Jeep zuging. Es war dieser Patrick Lanson, der Priester, Rons Freund.
    Gilbert blieb stehen.
    Lanson kam auf ihn zu: »Kann ich Sie mitnehmen?«
    »Ja, das können Sie«, sagte Descartes.
    »Ich war bei ihm«, sagte Lanson. »Aber er ist so schwach, daß er kaum sprechen kann. Er hat die meiste Zeit geschlafen. Und das ist wohl gut so. – Habe ich Ihnen schon erzählt, daß ich ihn auf der Styler-Mission von Telekitonga kennengelernt habe? Da kam er eines Tages an, kam buchstäblich angepaddelt, kam von irgendeiner Insel, über die er nicht sprechen wollte. Aber ich mag ihn. Und eigentlich bin ich ganz froh, daß ich für ein paar Monate hierher versetzt wurde. So kann ich ihm wenigstens helfen …«
    »Sie vielleicht. Aber die Ärzte nicht. Sie können ihn hier nicht operieren. Und fortschaffen auch nicht. Zumindest nicht in diesem Zustand. Sie müssen warten, bis er einigermaßen wieder hochkommt.«
    »Sie haben mit Nielsen gesprochen?«
    Gilbert Descartes nickte. »Er könne nichts machen, sagt er, weil Hendrik Merz ausgefallen sei.«
    »Ausgefallen ist gut«, erwiderte Lanson trocken. »Man könnte auch sagen, daß aus einem guten Arzt eine unzurechnungsfähige Alkohol- und Drogen-Ruine geworden ist.«
    »Das

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