Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
…«
    Der mächtige Mann blickte über die Schulter zurück. »Sicher – Hab' ich. Den Kurs hast du ja angegeben. Und daß selbst ich in der Lage bin, so einen blöden Knopf zu drücken, wirst du mir ja wohl zugestehen. Die Automatik läuft.«
    Grimmig betrachtete Gilbert Descartes die Spritze in seiner Hand. Die Fähre zwischen Tongatapu und Pangai verkehrte zwar nur einmal in der Woche, aber hier ging es um ein Prinzip. Er setzte die Spritze fast zärtlich an und stach so geschickt ein, daß Ron überhaupt nichts spürte.
    »Ich geh' trotzdem wieder hoch und guck' raus.«
    Ron nickte. »Ich bin ganz froh, daß du um die Wege bist, Schibe … Hab' ich dir das schon mal gesagt?«
    »Nein«, sagte Descartes mürrisch. »Du kannst dir's auch sparen.«
    Ron versuchte sich so zu drehen, daß der Schmerz etwas abklang, doch das dunkle tiefe Pochen in seinem rechten Arm blieb.
    Die Erschöpfung griff nach ihm, zog ihn in den Schlaf und dann in einen Traum, der ihn in seine Kindheit zurückversetzte. Winter war es, er jagte mit seinen neuen Schlittschuhen über einen kleinen, zugefrorenen kreisrunden Eifel-See. Dort, wo der Schnee die Eisfläche freigab, schien sie beinahe schwarz, und plötzlich hing ein zartes, gläsernes Knistern in der Luft. Über das Eis zogen sich Risse, ein Loch klaffte auf, und in dem Loch trieb etwas – trieben drei ertrunkene Kinder und starrten ihn an …
    Ron riß die Augen auf. Neben seinem Bett stand Descartes. »Was ist denn, Junge? Ich hab' dich bis oben schreien gehört. Schmerzen?«
    Ron schüttelte den Kopf: Schmerzen, ja, doch das war's nicht …
    »Wir haben es nicht mehr weit, Ron. Und das Krankenhaus hab' ich auch angefunkt. Ich hab' schließlich noch 'n paar Freunde dort. Hendrik, den jungen Deutschen, der mich damals zurechtflickte, konnte ich nicht erwischen. Aber da war einer, der dich kannte.«
    Ron hatte ihn nur angesehen. Er fühlte sich zwar unendlich schwach, aber die Spritze schien das Fieber wieder etwas gesenkt zu haben.
    »Ein Mann namens Lanson«, erklärte Gilbert da. »Patrick Lanson. Scheint ein Pfarrer oder so etwas zu sein. Kannst du mit dem Namen etwas anfangen?«
    Ron nickte. »Ja.«
    »Na, der wartet wahrscheinlich schon am Pier auf dich. Und 'nen Krankenwagen bringt er auch gleich mit. Er war ganz aufgeregt, als ich ihm erzählte, der Ruf käme von der ›Paradies‹ und ich würde den kranken Skipper an Land bringen – an Land, ins Krankenhaus.«
    Und so kam es dann auch. Kaum hatten sie an der Mole von Pangai festgemacht, kam Patrick Lanson angerannt. Und von der Straße, Pangais einzigem Stolz, denn an ihr reihten sich alle Häuser und Geschäfte des großen verschlafenen Dorfes, rollte der Krankenwagen.
    »Na, was sagst du jetzt?« Ron lächelte Descartes an und versuchte die Hand zu heben, doch das ging nicht.
    »Geschafft, Gilbert.«
    »Da würd' ich erst mal abwarten«, meinte Descartes.
    ***
    Das ›König Taufa'ahau Tupou IV‹ Hospital, auf der Insel Lifuka lag etwa sechs Kilometer südlich von Pangai in der Lichtung eines Palmenwaldes. Und es lag herrlich. Die Aussicht von den kleinen, modernen Pavillon-Bauten, die sich um den großen Innenhof gruppierten, der auch dem Hubschrauber des Hospitals als Landeplatz diente, führte auf der einen Seite in die grüngoldene Dämmerung der Palmen und auf der anderen Seite zu einem traumhaft schönen, kilometerlangen, schneeweißen und einsamen Strand.
    Gilbert Descartes hatte keinen Blick dafür. Unbehaglich saß er auf der Vorderkante seines Rattansessels. Die kleine Terrasse diente dem Chefarzt, Dr. Knud Nielsen, als Warteraum und Besprechungszimmer. Nielsen war Däne, ein kompakter, etwas fetter Mann mit einem blonden Kinnbart und einer hohen Stirn über der randlosen Brille. Er hatte beinahe farblose grünliche Augen.
    Descartes kannte ihn. Fast täglich hatte er ihn schließlich hier im Spital erlebt – und das zwei Jahre lang. Er wußte auch, was es bedeutete, wenn Nielsen, so wie jetzt, die Gelenke seiner Finger knacken ließ. »Eine unmögliche Bescherung haben Sie mir da angebracht, Gilbert.«
    »Also unmöglich … Und was heißt denn hier ›angebracht‹ Herr Doktor? Was sollte ich denn tun, Ihrer Meinung nach?«
    »Genau die gleiche Frage stellt sich mir jetzt auch.«
    »Warum?«
    »Gilbert, Sie wissen doch, wie das hier ist. Ich bin Internist. Mach zwar Chirurgie mit … was bleibt einem schon übrig – in einer solchen Situation wird jeder zum Allrounder, der überall seine Finger

Weitere Kostenlose Bücher