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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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diesen Mistviechern in der Bucht rumschwimmen.«
    »Du?« Sie lächelte. – Ja, sie lächelte wieder.
    »Ja, nun …«, grinste er kläglich. »Im Augenblick ist es vielleicht ein bißchen schwierig. Aber ich werde ja nicht mein Leben lang als Krüppel herummarschieren müssen.«
    Sie kam zu ihm, strich über sein Haar, wie es ihr Vater immer tat, und dann küßte sie ihn auf die Stirn, die Nasenspitze, den Mund, ganz vorsichtig, ganz leise und zart.
    »Du bist der letzte, der schlimmste Verrückte, den ich je erlebt habe. Weißt du das?«
    Er nickte.
    »Meine Brüder werden die Muscheln holen«, sagte sie dann. »Meine Brüder – und ich.«
    Er konnte sie ja nicht in die Arme reißen, er konnte nur eines: dastehen, sie anstarren, sie anstrahlen und denken: Morgen, jawohl, morgen fahren wir …

7
    »Himmelherrgott«, flüsterte Hendrik Merz überwältigt, »ist das vielleicht schön …«
    Die Insel! – Sie standen am Bug der ›Paradies‹, die Hände um die Reling geklammert: Ron, Hendrik, Tama, und keiner von ihnen sprach ein Wort.
    Und nun kamen die Kanus! Wie Pfeile schossen sie aus der Lagune heraus: Pfeile im tiefen Blau, weiße Schaumstreifen hinter sich lassend, umweht von den Schreien, den gellenden Kriegsschreien der jungen Männer, die ihre Boote stehend vorantrieben.
    Es war Ron, als habe er das Bild nie erlebt. Dies war ein anderes, ein neues Heimkehr-Gefühl. Nie war er so froh gewesen, Tonu'Ata wiederzusehen. Und nie sah er so klar vor sich, was er zu tun hatte.
    Während der drei Tage Fahrt hatte er in Gilberts Anwesenheit das Thema Perlen vermieden. Er wußte doch, wie Gilbert darüber dachte. Aber mit Tama hatte er oft gesprochen. Auch mit Hendrik. Aber am wichtigsten war, Tama an seiner Seite zu wissen …
    Nun war es soweit.
    Der Anker klatschte ins Wasser, die Kette rasselte und drüben am Strand standen Tápana und seine Würdenträger, um sie zu empfangen.
    Das Boot knirschte auf dem Sand, Hendrik sprang heraus, machte es fest und half Ron beim Aussteigen. Langsam gingen sie auf die kleine Gruppe zu, und schon aus der Entfernung spürte Ron: Irgend etwas hat sich geändert! Tápanas Mund wirkte ernst. Er schien auch älter. Bis auf den Häuptlingsschmuck, den Haifischzahn, hatte er auf alle Insignien seiner Würde verzichtet, und das Ta'ovala, den Wickelschurz, den er trug, war von einer dunklen, einfachen, erdbraunen Farbe.
    Tama schenkte er keinen Blick. Er sah Ron an. Dies war eine Sache unter Männern. Die Kanubesatzungen, die ihnen gerade noch schreiend entgegengerudert waren, die Frauen, die sie begleiteten – sie alle bildeten einen stillen, bedrückten Halbkreis.
    Tápana hob die Handfläche. »Sei gegrüßt, Ovaku. Gut, dich hier zu sehen.«
    Ron drückte seine gesunde Hand gegen Tápanas Hand.
    »Und dein Freund ist Medizinmann?«
    Er nickte.
    »Schibe hat mir von ihm erzählt.«
    Aha? dachte Ron. Und was? … Es war an ihm, das Wort zu nehmen. »Mein Freund hat mir geholfen. Du siehst meinen Arm. Die Männer, die hier waren, um zu rauben und zu töten …«
    »Sie seien verflucht.«
    »… haben mit ihren Gewehren den Knochen herausgeschossen. Er hat mir einen neuen eingesetzt. Er ist ein großer Heiler. Tama hat mir gesagt, daß es im Dorf noch drei Menschen gibt, die von den Kugeln der Männer getroffen worden sind.«
    »Das sind Wunden im Fleisch … Die Wunden in unseren Herzen sind größer und schmerzen mehr, Ovaku.«
    »Dann, Tápana, laß uns denen, die leben, helfen. Der Heiler hat seine Tasche mitgebracht und will gleich zu ihnen.«
    Damit aber kam Ron an den Falschen!
    »Das kann warten«, sagte Tápana, und die Ältesten nickten gemessen. »Laß uns zuerst die Kawa trinken, damit auch die Götter deinen Freund aufnehmen und begrüßen. Dann soll er tun, was er tun kann …«
    Sie gingen dem Dorf entgegen, und da waren die vertrauten Geräusche: Hahnenschreie, das Quieken der Ferkel, das Bellen der Hunde …
    Dann aber, als sie den kreisrunden Platz betraten, zog sich Rons Herz zusammen. Er dachte an das, was geschehen war. Wie durch die Wirkung einer unsichtbaren, unheimlichen Kraft schien die Szene verändert. Das Licht nicht mehr so hell, das Lachen der Kinder gedämpft, und das Lächeln auf den Gesichtern, dieses immerwährende, ewige Lächeln, mit dem sich die Menschen begegneten, schien ihm starr und maskenhaft.
    Sie tranken die Kawa. Und sprachen kaum ein Wort.
    ***
    Der Lepani-Klan hatte seine Fales am Berghang unterhalb eines kleinen Waldes gebaut. Auf dem

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