Das Riff der roten Haie
helfen.«
»Er ist ein guter Mensch«, sagte Tápana. »Ich werde mit Nomuka'ta reden. Und falls das nicht geht, werde ich selbst darüber nachdenken.«
Damit war er entlassen …
An diesem Abend wollte Ron die Bucht nicht sehen. Außerdem war er müde, und sein Arm machte ihm Schwierigkeiten. Hendrik Merz legte ihm eine neue Schiene an und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.
Nach dem Essen saßen sie draußen auf der Terrasse, sahen über die Lagune und die purpurgoldene Glorie des Sonnenuntergangs.
Auch Lanei'ta war aus ihrem Haus herübergekommen. Sie brachte Jacky mit. Tama verstaute den Kleinen im Ehebett, und Lanei'ta legte sich in die Hängematte, die etwas abseits vom Tisch an den Tragbalken befestigt war.
Lanei'ta sagte kaum ein Wort. Man hätte meinen können, sie schliefe. Doch immer wieder, wenn Ron zu der reglosen, stillen Gestalt hinübersah, beobachtete er, wie Lanei'ta aus halbgesenkten Lidern Hendriks Profil musterte. Er lächelte in sich hinein, und die Ahnung, die er in sich trug, seit er zurück auf der Insel war, verdichtete sich noch stärker: Das Empfinden, alles sei vorprogrammiert, von wem auch immer, und würde, mußte von nun an so exakt ablaufen wie die Handlung im Drehbuch …
Hoffentlich geht alles gut! – Ron dachte es abends im Bett. Neben ihm war Tamas Atem. Er ging ruhig. Aber er wußte, daß auch sie noch wach war. Und dann kam ihre Hand zu ihm herüber, und alles war in Ordnung …
***
Und es ging gut. Es ging Schlag auf Schlag …
Am Morgen, der folgte – sie hatten kaum gefrühstückt – knarrte die Treppe unter Tápanas Gewicht. Es war ein seltenes Ereignis: In all den Jahren war Tápana nur dreimal im Fale erschienen!
Aufgeregt rannte Tama zum Eisschrank und kam mit Bier zurück. Sie kannte ihren Vater. Sie hatte gleich drei Dosen aus der Küche mitgenommen. Ron wiederum verstaute den Herrn der Insel, den Gebieter über Lebendige, Tote und Geister, in seinem bequemsten, dazu noch von ihm selbst gezimmerten Sessel.
Tápana griff sich eine Dose, ließ sie genießerisch zwischen Daumen und Zeigefinger rollen und trank sie dann in einem einzigen Zug leer. Er strich sich mit dem Handrücken über den Mund, rülpste genußvoll und setzte sich wieder so würdevoll wie zuvor zurecht.
»Ich habe mit Nomuka'ta zu sprechen versucht«, verkündete er.
Dies war nicht der Augenblick, Fragen zu stellen. Es gab nur eines – warten.
»Doch leider, leider … Nomuka'ta hat mir keine Antwort gegeben. Vielleicht wollte er nicht. Vielleicht war er nicht da.«
Schweigen. – Ron schluckte. Sein Hals wurde mit einem Mal eng.
Der Sessel knackte, als sich das Gewicht des Häuptlings nach vorne verlagerte und er ihm einen seiner langen, dunklen und unergründlichen Blicke widmete. »So habe ich allein beschlossen, daß getan wird, was du gesagt hast, Ovaku. Und da wir es tun, weil wir damit unseren Menschen helfen, kannst auch du, Ovaku, wieder die Bucht betreten. Das Tabu ist aufgelöst.«
Na also …!
»Ich danke dir, Tápana.« Ron sagte es mit belegter, etwas mühsamer Stimme, weil er dabei war, tief Luft zu holen. Dabei suchte er nach weiteren, zu einem solchen Anlaß passenden Dankes- und Ergebenheitsformeln. Er fand keine. Und Tápana ließ es auch gar nicht soweit kommen.
»Ich habe auch schon mit meinen Söhnen gesprochen. Afa'Tolou und Wa'tau werden dir helfen, Ovaku. Denn du kannst ja den Arm nicht bewegen, und er kann erst dann gesund werden, wenn für den Heiler die Maschinen gekauft sind. – Und noch etwas: Außer meinen Söhnen wird jeder im Dorf die Arbeit verrichten, die du von ihm verlangst.«
Ron schwieg. Er wußte nicht so recht, was er mit den Fingern seiner gesunden Hand anfangen sollte. Sie vibrierten leise, ja, sie zitterten. Er legte sie aufs Knie. Er war erleichtert, gerührt, aber gleichzeitig wurde auch das angenehm perlende Triumphgefühl des Spielers in ihm wach, des Spielers, der die richtige Karte gezogen hat. Herrgott noch mal: Er hielt ein As in der Hand! Sollte er deshalb ein schlechtes Gewissen haben …?
»Gib mir noch eine Dose, Ovaku«, sagte da Tápanas tiefe Stimme. »Sie verhilft mir zu einem guten Schlaf. Den brauch' ich jetzt …«
***
Kurz nach elf war es und bereits sehr heiß, als sie die beiden Götterfiguren am Paß erreichten. Die beiden Schwestern, Tama und Lanei'ta, waren den ganzen Weg vorausgegangen. Auch jetzt hielten sie nicht an.
Hendrik aber blieb stehen. »Was sind denn das für Kameraden?«
»Das sind keine
Weitere Kostenlose Bücher