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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Rücken, tastete sich zu ihrem Busen und von dort wieder hinab zu diesem verdammten Reißverschluß der Jeans, den er nicht aufbekommen konnte.
    »Du bist verrückt, Ovaku …«
    »Und ob!«
    Ihre Augen begegneten sich im Spiegel des Krankenzimmers. Und er sah dabei in sein eigenes Gesicht, das auf ihrer Schulter ruhte. Er schloß die Lider. »Laß mich, Ovaku. Bitte.«
    »Nein«, flüsterte er. »Wieso denn? Auf diesen Augenblick habe ich zu lange gewartet.«
    »Ach komm … Dein Arm … Was würde dein Doktor dazu sagen?«
    »Der sagt sowieso immer das gleiche. Aber schließlich – es ist nur der Arm. Nicht der Rest.«
    Mit einer geschickten, sanften Bewegung machte sie sich frei. Das Mohnrot ihrer Bluse schien den ganzen Raum auszufüllen – da stand sie, stand eine Statue, nein, stand eine junge Frau, die ihn mit einem wachsamen, prüfenden und zugleich traurigen Blick betrachtete, während ihre Fingerspitzen nervös den Stoff über ihren Brüsten glattstrichen.
    »Was ist denn, Tama?«
    »Was ist? Ich frag' mich, ob du überhaupt keine Vernunft kennst.«
    »Tama, ich hatte doch solche Sehnsucht … Ist das so schwer zu verstehen?«
    »Ich auch.« Sie sagte es mit einer leisen, fast furchtsamen Stimme. »Aber es geht nicht. Ich will dich gesund wiederhaben. Und außerdem …«
    »Außerdem – was?«
    »Sie haben die Toten begraben. Und das ganze Dorf hat geweint. Vierzehn Tage lang, Ovaku. In Tonu'Ata gibt's noch immer Leute, von denen niemand weiß, ob sie vielleicht sterben müssen …«
    »Was sagst du da?«
    »Die Lepani-Familie. Lepanis Frau, der Junge und seine kleine Tochter … Du kannst davon nichts wissen, Ovaku. Wie auch? Es lief doch alles durcheinander, als du wegfuhrst. Es war so schrecklich damals. Und du warst halb bewußtlos.«
    »Was kann ich nicht wissen?« drängte er.
    »Sie wurden verletzt. Sie bekamen auch Kugeln in den Körper, so wie du …«
    »Ist es schlimm?«
    »Ich weiß es nicht, Ovaku. Was ist schlimm? Ist dein Arm schlimm?« Ihr Blick wurde hart und dunkel.
    Er verstand sie. Er begriff auch, warum sie sich so abweisend verhielt. – Aber was nun kam, ging über sein Begreifen und war doch eine Erfahrung, die er kannte. »Ovaku. All diese Dinge, die du in dem großen Haus gekauft hast, in dem wir uns getroffen haben – was willst du mit ihnen?«
    »Welche Dinge?«
    »Diese Eisenstäbe. Und all das andere Zeug.« Ihre Augen waren auf ihn gerichtet, und sie waren nicht mehr dunkel, sie wirkten unergründlich. »Du willst diese Dinge mit nach Tonu'Ata nehmen, nicht wahr?«
    Diese Dinge … dachte er hilflos.
    »Ja.« Er streckte seinen gesunden Arm aus, um ihre Schulter zu streicheln, doch sie wich einen Schritt zurück. »Es ist nämlich so …«
    »Das ist nicht nötig, Ovaku. Du brauchst mir nichts zu erklären. Ich weiß.«
    »Was weißt du?«
    »Daß du damit in die Haibucht willst. – Das weiß ich!«
    Er hatte das Gefühl eines eisigen, unangenehmen Prickelns im Nacken, und dann schob sich dieses Gefühl die Kopfhaut hoch. Seine Muskeln verspannten sich. Hörte es denn nie auf? Und woher hatte sie es? War dieser gottverdammte, längst tote – was heißt tote, von den Haien zerrissene – Nomuka'ta in ihrem Handgepäck mitgereist? Schwebte sein Geist hier irgendwo im Badezimmer des ›König Taufa'ahau Tupou Hospitals‹ herum? War sie Hellseherin? Unsinn! Aber woher wußte sie?
    »Wie kommst du darauf?«
    »Ich sagte doch, ich weiß es.«
    Die Kacheln blinkten ihn höhnisch an. Und draußen, im warmen Dunkel der Nacht, lachten die Küchenmädchen. Er hätte so gerne mitgelacht, aber dies war nicht der Augenblick. Weiß Gott nicht. Dies war der Augenblick der Wahrheit. Vielleicht brauchte er ihr nicht einmal zu erklären, was er vorhatte, vielleicht wußte sie auch das bereits.
    Er tat es trotzdem. Und schloß dann mit der hilflosen Aufforderung: »Denk doch selbst darüber nach. Du kannst es drehen, wie du willst, es bleibt dasselbe: Wenn du wirklich helfen willst – Lepanis Frau, zum Beispiel, den Kindern …« Er machte eine Pause, sah sie an, blickte auf den Arm: »Und auch mir, ja, auch mir – wenn nicht weiter Leute sinnlos sterben sollen, Tama, gibt's nur diesen Weg. Dann brauchen wir nicht einen Pfuscher, wie ich einer bin, sondern einen wirklichen Arzt. Und den haben wir: Hendrik … Aber auch der beste Arzt kann ohne die notwendigsten Geräte nichts ausrichten. Und dazu brauche ich den Käfig. Und deshalb versuche ich es noch einmal, scheißegal, wie viele von

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