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Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Titel: Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Balzter
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Lächeln. Schön, dass du etwas gefunden hast, das dich beschäftigt, Valeska. Und die Leere umgab sie nach wie vor.
    So kam es, dass sie eines Tages entschied, dass es ja nichts Schlimmes war, wenn sie einfach sachlich feststellte, dass sie für ihre Familie zur Hausfrau geworden war, ausgerechnet sie, die damals in der DDR ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um ihren Traum von Freiheit zu verwirklichen. Sie, deren Leben so groß und bedeutend zu werden versprochen hatte.
    Irgendwann mussten diese Bemerkungen ihrer Kontrolle entglitten sein.
    Valeska seufzte. Ohne es zu merken, hatte sie während ihres kleinen Ausflugs in die Vergangenheit angefangen, die Wäsche zusammenzulegen, die noch im Korb am Fußende ihres Ehebettes lag.

5. Kapitel
     
    Der Herbstwald eilte an Leas Fenster vorüber und versuchte verzweifelt, mit seinem Blättermeer aus Rot und Gold gegen das drückende Grau des Himmels anzukämpfen. Genau die richtige Kulisse, um sich den schwermütigen Balladen hinzugeben, die ihren kleinen silberfarbenen MP3-Player bevölkerten: No Doubt. Metallica. Ozzy Osbourne. Limp Bizkit. Schwere Kaliber, die alle mit schöner Regelmäßigkeit – meistens einmal pro Album – ihre sanfte Seite entdeckten und so ihren Fans ermöglichten, sich in mit E-Gitarren unterfüttertem Kitsch zu wiegen, ohne deshalb gleich uncool zu sein.
    Die Landschaft veränderte sich, die Wälder wichen grasbewachsenen Hügeln, dann kleinen Dörfern, um schließlich als lichte Birkenhaine wieder die Strecke zu säumen. Die Strecke nach Prag.
    Lea umklammerte ihren kleinen schwarzen Rucksack, den eine überproportionierte Schnalle und ein zierliches Vorhängeschloss schmückten. Ihr Reisegepäck.
    Sie war einfach eingestiegen und losgefahren. Nur weg. Weg von unsichtbaren Vätern und ewig leidenden Müttern, weg von Fünfen in Deutsch und von unverhofft überbelegten Computerkursen. Prag war eine Art Zuhause. Dort hatte sie die ersten sechs Jahre ihres Lebens verbracht. Die kleine Wohnung in der Vodičkova 13 würde sie immer in ihrem Herzen bewahren. Und die Ausflüge mit ihren Eltern.
    Ihr Vater war nicht gerade überbeschäftigt gewesen in jener Zeit. Zwar tat sich in Prag eine Menge, das Land, sein politisches und wirtschaftliches System waren noch jung; aber schließlich konnte die Rhein-Main-Rundschau nicht jeden Tag ihr ganzes Blatt mit Geschichten aus Tschechien füllen. Heute erinnerte sie sich mit Schmerz an die endlosen Spaziergänge mit ihm auf dem alten Jüdischen Friedhof, an den Ehrfurcht gebietenden Anblick der unzähligen, zum Teil in mehreren Schichten gestapelten Grabsteine.
    Ihre Hände entspannten sich allmählich, während sie aus dem Fenster des EuroCity blickte, eine hoffnungsvolle Traurigkeit im Herzen und einen elektrischen Bass im Sechsachteltakt im Magen.
    Lucy klopfte von außen an die Scheibe. Lea blinzelte und rieb sich die Augen. Lucy schien etwas sagen zu wollen, aber durch das Fensterglas und den Kopfhörer drang kein Laut zu Lea durch. Wie konnte Lucy überhaupt da draußen sein, wo der Zug mit mindestens hundertfünfzig Stundenkilometern durch die Landschaft raste? Ein Schauer rann wie kalter Schleim Leas Rücken herab. Hatte sie gerade eine Erscheinung? War Lucy tot? Oder war sie ... ein Vampir?
    Und Lea? War sie selbst vielleicht auch gestorben, konnte sie deshalb jetzt die anderen Toten sehen, die gekommen waren, um sie mit ins Jenseits zu nehmen, in Himmel oder Hölle oder die Burg in den Karpaten? Oder hatte sie plötzlich diese Gabe wie der kleine Junge in The Sixth Sense ? Mein Gott, jetzt griff Lucy wie ein Geist mitten durch die Scheibe hindurch, fasste nach Leas Haaren, packte – packte den Kopfhörer und riss ihn herunter ...
    „Ich sagte, es hat schon lange geklingelt!“, schrie die Erscheinung. „Wir müssen los!“
    Lea öffnete die Augen. Der EuroCity war verschwunden, und mit ihm der Gedanke an Prag. Stattdessen fand sie sich im Schülercafé des Turnvater-Jahn-Gymnasiums, den Kopf auf die Tischplatte gelegt und den MP3-Player fest in ihrer rechten Hand.
    „Hab ich geschlafen?“
    „Wenn nicht, muss dich jemand k.o. geschlagen haben. Ich hab auch schon einen Verdacht. Bülent hatte so ein merkwürdiges Lächeln, als er rausging ...“
    „Hör mir auf mit Bülent“, maulte Lea, als sie ihre Schultasche – der schwarze Rucksack mit der Schnalle , schoss ihr unzusammenhängend durch den Kopf, aber der lag zu Hause – unter den Arm klemmte und sich erhob. „Er hat mir den

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