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Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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gemalt …«
    »Stimmt«, sagte sie nur, ohne ihn anzusehen. »Früher.«
    Dieses Mal stellte er ihr die Frage.
    »Warum hast du aufgehört?«
    Es dauerte eine Weile, bis sie ihm antwortete, aber er wartete
geduldig.
    »Mir ist die Freude abhanden gekommen«, sagte sie schließlich, und
in ihrem Ton schwang etwas mit, das ihn davon abhielt, weitere Fragen zu
stellen. Neugierig, aber wortlos sah er sie an.
    Lily erwiderte seinen Blick und schwieg.
    Als das Schweigen anfing, unangenehm zu werden, schnappte er sich
die Staffelei.
    »Wo willst du sie haben?« Und bevor sie antworten konnte: »Ich glaube,
oben wäre gut, oder? Wie ich schon sagte, das Dachgeschoss ist absolut
prädestiniert für ein Atelier …«
    »Wieso fragst du mich dann noch?«, fragte sie, und er sah ein
schelmisches Lächeln um ihre Lippen zucken.
    Sie stellten die Staffelei gemeinsam auf. Er hatte ihr
auch Farben mitgebracht, einen wunderschönen Ölmalkasten aus Holz.
    Er sah ihr an, wie verlegen sie angesichts seiner großzügigen
Geschenke war, und beschloss, sofort wieder zu verschwinden, damit sie keine
Gelegenheit bekam, Einspruch zu erheben.
    Sie brachte ihn nach draußen.
    Dankte ihm zum Abschied, denn schließlich bedankte man sich für
Geschenke.
    Dann setzte sie sich wieder auf die Mauer und sah ihm hinterher, bis
er Driftwood Cottage erreicht hatte. Bevor er in seinem Studio verschwand, winkte
er ihr noch einmal kurz zu.
    Lily dachte an die Staffelei im Dachgeschoss. Sie fröstelte. Sie zog
die Strickjacke enger um sich.
    Reefer, der stets an ihrer Seite war, bemerkte ihr Zittern und
lehnte sich schwer gegen ihr Bein. Ganz automatisch fing Lily an, sein seidiges
Fell zu kraulen, worauf Reefer seinen Kopf in ihren Schoß legte und aus großen
braunen Augen zu ihr aufsah.
    Einige Minuten später öffnete sich die Haustür von Driftwood
Cottage, und Abi trat heraus. Als sie Lily erblickte, winkte sie ihr zu und
machte sich auf den Weg zu ihr. Aufgeregt rief sie:
    »Ich habe etwas für dich.«
    Sie beschleunigte den Schritt und saß binnen weniger Augenblicke
neben Lily auf der Mauer, wo sie ihr eine kleine Papiertüte reichte.
    In der Tüte befand sich etwas Schweres. Lily neigte den Kopf und sah
Abi fragend an, dann warf sie einen Blick hinein.
    Eine Gartenschere.
    »Ist das eine Anspielung darauf, dass mein Garten eine Schande für
die gesamte Gegend ist?« Lily lächelte breit, als sie das Werkzeug aus der Tüte
zog.
    »Eigentlich nicht, aber wenn dir das helfen würde, endlich mal was
im Garten zu tun, dann ja, natürlich, du solltest dich was schämen, vor allem
dein Rosengarten ist ein Schandfleck, und das ganze Dorf zerreißt sich schon
das Maul darüber …«
    Sie lachte, als sie Lilys vor Entsetzen geweitete Augen sah.
    »Ach, Schätzchen, das war doch nur ein Scherz! Ich dachte, wenn du
erst mal in Gang kommst, macht es dir vielleicht sogar richtig Spaß …«
    »In Gang?«
    »Mit dem Rosengarten. Es wäre so schön, wenn du ihn wieder
herrichten würdest. Er war mal traumhaft schön. Ich bin damals ab und zu nachts
hier herübergeschlichen und habe mir ein paar abgeschnitten.« Sie zeigte auf
die Kletterrose, die sich um die Haustür von Driftwood Cottage rankte. »Die da
ist ein Ableger von einer deiner Rosen hier. Sie blüht spät, aber wenn es dann
mal so weit ist, kann man sich kaum retten vor cremefarbenen Blüten und einem
himmlischen Duft.« Sie sog die Luft ein, um das Gesagte zu unterstreichen, und
hielt dann inne, als sie Lilys wenig begeisterte Miene sah. Genau genommen sah
Lily eher zerknirscht aus.
    »Was ist denn?«, fragte Abi.
    Lily presste die Lippen aufeinander.
    »Ich muss dir was beichten …«, brachte sie dann heraus.
    »Wie bitte?«
    »Der Rosengarten …«
    »Oh, Lily!« Abi schluckte. »Was hast du getan? Jetzt sag bloß nicht,
du hast ihn zubetoniert oder alles ausgegraben, weil du einen Pool anlegen
willst …«
    »Am besten, du siehst es dir selbst an …«
    Sie ging Abi voraus um das Haus herum, wo noch deutlich zu sehen
war, wie Lily hier am Vortag gewütet hatte. Dort, wo das Feuer gebrannt hatte,
verunzierte ein großer schwarzer Fleck die Terrasse. Lily war nur froh, dass
Liam so selten hierherkam und kaum mitbekommen würde, was sie angestellt hatte.
    Abi spähte durch das offene Tor zu den bis auf wenige Zentimeter
über dem Boden heruntergeschnittenen Rosenbüschen.
    »Ah. Verstehe«, murmelte sie. Dann wandte sie sich mit einem
entschlossenen Lächeln wieder ihrer Freundin zu.

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