Das Rosenhaus
besser nach Hause.«
Lily nickte, atmete tief durch und rief dann den Hund, der im Wasser
getollt hatte, ohne im Geringsten mitzubekommen, wie hoch die Gefühlswellen bei
ihr am Strand geschlagen waren.
Schweigend fuhren sie nach Hause. Nathan sah hin und
wieder zu ihr und lächelte sie an. Wie die Sonne, die nach und nach die Kälte
vertrieb, gab er ihr mit jedem Lächeln ein wenig mehr Kraft.
Aus irgendeinem unerfindlichen, ritterlichen Grund fuhr er zunächst
am Driftwood Cottage vorbei und brachte Lily die paar Meter bis zum Rose
Cottage.
Er schaltete den Motor aus, und Lily suchte verzweifelt nach Worten
des Dankes.
»Ich …«
Doch er schüttelte nur den Kopf und legte ihr seine warme Hand an
die Wange.
»Du bist nicht allein, Lily. Ich bin für dich da, wenn du einen
Freund brauchst.«
Sie legte ihre Hand auf seine und drückte sie eine Sekunde gegen ihr
Gesicht. Diese Geste der Dankbarkeit war ihm mehr als genug.
Abi war in der Küche. Sie sah auf und lächelte ihn an, als
er hereinkam. Sie hatte etwas im Mund, weshalb das übliche »Hi« etwas verspätet
kam.
»Ich dachte, du wolltest heute zum Windenhaus?«, fragte er.
»Mein Magen hat mich nach Hause abkommandiert«, erklärte sie und
biss herzhaft in ihr Schinkensandwich.
»Möchtest du etwas essen?«
»Nein, danke, ich muss noch mal los …«
»Ah, ja?«, fragte sie mit hochgezogener Augenbraue.
»Dauert aber nicht lange. Gehst du noch mal in den Laden?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Vielleicht. Aber auch nicht lange. Anna will gerne so viele Stunden
wie möglich arbeiten, von daher kann ich sie gut allein lassen und mich
diversem Papierkram widmen … Außerdem wollte ich mal bei Lily vorbeischauen und
sehen, wie es ihr geht.«
Er nickte, verlor aber kein Wort über den Vormittag. Sollte seine
Mutter ihn mit Lily in seinem Auto gesehen haben, als sie wiederkamen, so
behielt sie das hübsch für sich.
23
A ls Lily
heimkam, war das Haus noch leer.
Liam und
Dylan hatten auf ihrer Mailbox eine Nachricht hinterlassen, sie würden spät
zurückkommen.
Warum, erklärten sie nicht.
Sie überlegte kurz, ob sie zurückrufen und fragen sollte, ob alles
in Ordnung war, aber wenn sie noch im Krankenhaus waren, hätte ohnehin keiner
von beiden das Handy eingeschaltet. Stattdessen stellte sie sich unter die
Dusche und wusch den Sand von ihren Beinen und das Salz aus ihrem Haar.
Das Mittagessen ließ sie genauso ausfallen wie das Frühstück. Reef
gab sie ein paar Hundekuchen, dann machte sie sich eine Tasse Kaffee und nahm
diese mit nach draußen. Den hinteren Garten meidend, setzte sie sich auf die
niedrige Trockenmauer, die die Grenze zwischen dem Vorgarten und dem Hinterland
markierte. Reefer saß mit gespitzten Ohren neben ihr und beobachtete konstant
die Umgebung in der Hoffnung, ein wildes Kaninchen jagen zu können.
Lily war wieder einmal ganz in sich selbst statt in die
atemberaubende Landschaft versunken, als sie Rufe von Driftwood Cottage her
hörte.
Sie sah sich um. Nathan kam direkt auf sie zu, nicht ganz so
schneidig wie sonst, weil er etwas Sperriges in den Händen hielt. Das sperrige
Etwas war als Geschenk verpackt, Lily erkannte das handbedruckte Papier aus
Abis Laden.
Da es sich um keine kleine Aufmerksamkeit handelte, die man erst mal
hinter dem Rücken verstecken konnte, strahlte er Lily einfach nur an, stellte
das Paket auf dem Boden ab und neigte das obere Ende ihr zu.
»Für dich.«
Misstrauisch sah sie ihn an.
»Was ist das?«
»Ein Geschenk.«
»Schon klar, aber was ist da drin?«
»Ein bisschen mehr Dankbarkeit hätte ich schon erwartet …«, zog er
sie auf.
»Tut mir leid, vielen Dank natürlich, ich bin nur so neugierig, und
wieso …«
»Na, dann mach es doch auf! Das ist eine allgemein anerkannte
Maßnahme, wenn man wissen will, was in einem Geschenk drin ist.«
Lily errötete.
»Ist nur eine Kleinigkeit.« Hoffnungsvoll lächelte er sie an,
während sie ihn nachdenklich betrachtete und dann lachte.
Mit verschränkten Armen stand er da und wartete. Fast hätte er dazu
noch ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden geklopft.
Dann gab sie nach.
Auf keinen Fall wollte sie das wunderschöne, mit Schmetterlingen
handbemalte Papier zerreißen. Vorsichtig pulte sie seinem Gelächter zum Trotz
das Klebeband ab und faltete das Papier zur Seite.
Es war eine Staffelei. Aus Holz. Mit einer weißen Leinwand darauf.
Der Ausdruck in ihrem Gesicht war schwer zu deuten.
»Du hast gesagt, du hast mal
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