Das Rosenhaus
und
reden?«
»Ich glaube, es würde uns helfen, wenn wir uns mal alle
zusammensetzen und es uns gut gehen lassen würden. Wie früher.«
»Bei einem Abendessen und einer Flasche Wein an eurem Küchentisch?«
»Bei einem Abendessen und mehreren Flaschen Wein«, korrigierte Lily.
»Jetzt erst recht, schließlich sind wir mit Wendy zu viert, oder sogar zu
fünft, wenn wir Dylan mitzählen.«
»Läuft das gut mit ihm unter einem Dach?«
Das war eine schwierige Frage.
Dylans Anwesenheit erleichterte einiges, erschwerte aber anderes.
Dylan war so eine Art Puffer, durch den ein zivilisierter Umgang und
der Anschein von Normalität möglich waren. Aber auch eine Hürde, über die es
Lilys und Liams wahre Gefühle nur selten schafften.
»Im Moment ist es eine gute Lösung für uns alle«, antwortete sie
schließlich.
»Wo ist er?«
»Ich habe keine Ahnung.« Schulterzuckend fuhr sie sich kurz durchs
Haar. »Er hatte heute Vormittag einen Röntgentermin im Krankenhaus … sie haben
mir auf die Mailbox gesprochen, dass es spät werden würde, aber ich habe keine
Ahnung, warum.«
Peters Handy piepte.
»Tut mir leid, Lil …«, entschuldigte er sich und griff in die Tasche,
um die SMS zu lesen.
»Arbeit?«, fragte sie.
»Wendy«, antwortete er und sah selig aus.
Lily setzte sich neben ihn auf die Mauer.
»Ich hab schon ganz vergessen, wie sie sich anfühlt, diese
Sehnsucht, die man empfindet …«, sagte sie wehmütig.
Peter nahm ihre Hand und drückte sie. In diesem Moment rollte Liams
Range Rover die Straße herunter und kam schließlich hinter Peters Mercedes zum
Stehen. Wie immer saß Dylan am Steuer.
Lily und Peter erhoben sich, ohne sich loszulassen. Mit der freien
Hand winkte Peter den beiden, dann gingen sie auf sie zu. Dylan stieg aus dem
Wagen, doch statt sofort zur Beifahrertür zu gehen, um Liam zu helfen, oder
aber zum Kofferraum, um den Rollstuhl herauszuholen, marschierte er
schnurstracks auf Lily und Peter zu.
»Hallo, ihr beiden, na, wie geht’s?«
Leicht irritiert sah Lily ihn an. Sie wusste genau, wie sehr es Liam
frustrierte, wenn man ihn als Letzten dazuholte. Er fühlte sich dann immer
vergessen und verlassen.
»Äh … Wie wäre es, wenn wir Liam aus dem Auto helfen?«
Doch Dylan zuckte nur mit den Schultern.
»Ach, der schafft das heute schon selbst«, sagte er betont
beiläufig. Und dann verwandelte sich sein viel zu teilnahmsloses Gesicht in das
breite Grinsen, das er so angestrengt unterdrückt hatte. Denn sowohl Lily als
auch Peter klappte die Kinnlade herunter, als sie sahen, wie sich die
Beifahrertür öffnete und Liam ohne jede Hilfe ausstieg.
25
A ls Liam
jetzt sah, wie tief es vom Beifahrersitz des Gelände wagens bis zum Fußboden
draußen war, zweifelte er dann doch, ob sein Plan, ganz alleine auszusteigen,
so klug war. Aber es war zu spät. Dylan stand bereits bei Peter und Lily. Liam
musste den Schritt gehen, zu dem er sich selbst entschlossen hatte.
Aber wieso kam es ihm jetzt vor, als würde er diesen Schritt über
die Kante eines Steilfelsens hinweg machen, und nicht bloß aus seinem Auto
heraus?
Die wöchentlichen Termine im Krankenhaus, die vielen
Trainingsstunden mit Dylan, all das hatte zum Ziel gehabt, sein linkes Bein auf
die Zeit nach dem Gips vorzubereiten, wenn es allein das Gewicht seines Körpers
tragen musste, bis das rechte Bein wieder ganz gesund war.
Er hielt sich am Türrahmen fest, dann schwang er das linke Bein nach
draußen und ließ sich von der Schwerkraft leiten. Rumpf und rechtes Bein
glitten vom Sitz, es gab kein Zurück.
Den linken Fuß fest auf den Boden, dann den rechten Fuß
danebenstellen, ohne ihn zu belasten, ermahnte er sich im Geiste. Immer das
Gewicht auf dem linken Bein belassen.
Das linke Bein knickte ein.
Die anderen fuhren erschrocken zusammen und wollten ihm zu Hilfe
eilen, doch er mobilisierte sämtliche Kräfte und zog sich an der Autotür wieder
hoch.
Sein Handgelenk schmerzte höllisch unter der plötzlichen Belastung,
aber er ließ nicht locker, bis er wieder sicher stand. Der Schmerz ließ genauso
schnell nach, wie er eingesetzt hatte. Gut. Er war ausgestiegen. Er hatte es
geschafft. Allerdings stand er jetzt mit dem Rücken zu ihnen.
Er musste sich nur noch umdrehen.
Ihre Gesichter sehen.
Inzwischen guckten sie bestimmt nur noch besorgt aus der Wäsche und
nicht mehr begeistert und erfreut. Wahrscheinlich hatten sie sich schon
angeschlichen, um ihn im Notfall vom Boden aufzusammeln.
So hatte er sich
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