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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graeme Simsion
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meines Outfits. Ich ging davon aus, dass ich nur eine einzige Chance hätte, Rosies negatives Bild von mir zu ändern und eine emotionale Reaktion hervorzurufen. Ich wollte, dass sie sich in mich verliebte.
    Laut offiziellem Protokoll war es mir verboten, in den Universitätsgebäuden einen Hut zu tragen, doch ich entschied, dass der Bereich der Doktoranden als öffentlich galt. Demnach wäre es akzeptabel. Ich warf erneut einen Blick in den Spiegel. Rosie hatte recht gehabt. Mit meinem dreiteiligen Anzug hätte man mich für Gregory Peck aus
Wer die Nachtigall stört
halten können. Atticus Tillman. Der sexyste Mann der Welt.
    Rosie saß an ihrem Schreibtisch, ebenso Stefan, unrasiert wie immer. Ich hatte meine Rede vorbereitet.
    »Guten Tag, Stefan. Hallo, Rosie. Rosie, ich fürchte, das ist sehr kurzfristig, aber ich habe mich gefragt, ob du wohl heute Abend mit mir essen gehen würdest. Da ist etwas, das ich dir gern sagen würde.«
    Niemand sprach ein Wort. Rosie wirkte verblüfft. Ich sah sie direkt an. »Das ist ein bezaubernder Anhänger«, fuhr ich fort. »Ich hole dich um 19 : 45  Uhr ab.« Während ich davonging, zitterten mir die Knie, aber ich hatte mein Bestes gegeben. Hitch aus
Hitch – Der Date Doktor
wäre mit mir zufrieden gewesen.
    Vor meiner Verabredung mit Rosie hatte ich noch zwei Dinge zu erledigen.
    Ich ging direkt an Helena vorbei. Gene saß in seinem Büro und starrte in den Computer. Auf dem Bildschirm war das Foto einer Asiatin zu sehen, die in nichtkonventioneller Weise attraktiv war. Ich erkannte das Bildformat – es war eine Bewerberin des Ehefrauprojekts. Geburtsort: Nordkorea.
    Gene sah mich seltsam an. Mein Gregory-Peck-Anzug war zweifellos unerwartet, für meine Mission jedoch angemessen.
    »Hallo, Gene.«
    »Was soll das mit dem ›Hallo‹? Was ist aus ›Sei gegrüßt‹ geworden?«
    Ich erklärte, ich hätte eine Reihe unkonventioneller Eigenheiten aus meinem Vokabular gestrichen.
    »Das hat Claudia mir schon erzählt. Dachtest du, dein regulärer Mentor sei für diesen Job nicht gut genug?«
    Ich verstand nicht, was er meinte.
    Er erklärte: »Ich. Mich hast du nicht gefragt.«
    Das war korrekt. Rosies Äußerungen hatten mich veranlasst, Genes soziale Kompetenz anzuzweifeln, und meine letzte Zusammenarbeit mit Claudia und die Filmbeispiele hatten meinen Verdacht bestätigt, dass sich Genes Fähigkeiten nur auf einen begrenzten Bereich bezogen und er sie nicht zum Wohl für sich selbst und seine Familie einsetzte.
    »Nein«, erwiderte ich. »Ich brauchte Rat zu gesellschaftlich angemessenem Verhalten.«
    »Was soll das nun wieder heißen?«
    »Offensichtlich bist du mir ähnlich. Deshalb bist du mein bester Freund. Daher diese Einladung.« Ich hatte viele Vorbereitungen für diesen Tag getroffen und reichte Gene einen Umschlag. Ohne ihn zu öffnen, setzte er unser Gespräch fort.
    »Ich bin dir ähnlich? Das soll jetzt keine Beleidigung sein, Don, aber dein Verhalten … dein früheres Verhalten … hatte schon eine ganz eigene Klasse. Wenn du meine Meinung hören willst, hast du dich hinter einer Person versteckt, von der du dachtest, die Leute finden sie lustig. Es ist kaum überraschend, dass die Leute dich als Witzfigur ansahen.«
    Genau das dachte ich auch. Aber Gene zog nicht die nötigen Schlüsse daraus. Als sein bester Freund war es meine Pflicht, mich als erwachsener Mann zu verhalten und ihm die Wahrheit geradewegs ins Gesicht zu sagen.
    Ich ging zu seiner Weltkarte, in der für jede Eroberung eine bunte Stecknadel prangte, und überprüfte sie zum hoffentlich letzten Mal. Dann tippte ich mit dem Finger darauf, um eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen.
    »Genau«, sagte ich. »Und
du
denkst, die Leute halten dich für einen Casanova. Weißt du, was? Es ist mir egal, was andere von dir denken, aber falls du es wissen willst: Sie halten dich für ein Arschloch. Und sie haben recht, Gene. Du bist sechsundfünfzig Jahre alt, hast eine Frau und zwei Kinder … und ich weiß nicht, wie lange noch. Es wird Zeit, dass du erwachsen wirst. Das sage ich dir als Freund.«
    Ich beobachtete Genes Gesicht. Ich wurde immer besser darin, Gefühle zu lesen, aber dieses war komplex. Erschüttert, würde ich sagen.
    Ich war erleichtert. Das konventionelle Prinzip einer Aussprache von Mann zu Mann war erfolgreich verlaufen. Ich hatte ihn nicht niederschlagen müssen.

32
    Ich kehrte in mein Büro zurück und tauschte den Gregory-Peck-Anzug gegen die neue Hose und das Jackett.

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