Das Rosie-Projekt
notwendig – aber, wie ich zugeben muss, ganz großartig. Genau wie der Antrag. Wir müssen ihn noch von den Ethikleuten genehmigen lassen, aber es ist genau das, wonach wir immer gesucht haben. Genetik und Medizin … ein aktuelles Thema … beide Lehrstühle werden davon profitieren.«
Ich versuchte, das Gesicht der Dekanin zu lesen. Ihr Ausdruck lag jenseits meiner derzeitigen Deutungsfähigkeit.
»Meinen Glückwunsch, Charlie«, fuhr Simon fort. »Da haben Sie nun Ihr gemeinsames Forschungsprojekt. Das medizinische Forschungsinstitut ist bereit, vier Mio dafür springen zu lassen, was über das tatsächlich geforderte Budget hinausgeht, also können Sie gleich loslegen.«
Ich nahm an, dass er von vier Millionen Dollar sprach.
Er zeigte auf mich. »Auf den müssen Sie gut aufpassen, Charlie. Der ist ein echter Geheimtipp. Und ich will, dass er bei dem Projekt mitmacht.«
Hier bekam ich nun die erste Auszahlung auf meine Investition in gesellschaftliche Fähigkeiten. Ich hatte herausbekommen, worum es ging. Ich hatte keine dummen Fragen gestellt. Ich hatte die Dekanin nicht in eine peinliche Situation gebracht, in der sie gegen ihre eigenen Interessen hätte arbeiten müssen. Zufrieden nickte ich nur und kehrte in mein Büro zurück.
Phil Jarman hatte blaue Augen. Das hatte ich zwar schon gewusst, aber es war das Erste, was mir an ihm auffiel. Er war Mitte fünfzig, etwa zehn Zentimeter größer als ich, kräftig gebaut und wirkte extrem fit. Wir standen an der Rezeption in »Jarmans Fitnesscenter«. An den Wänden hingen Zeitungsausschnitte und Fotos eines jüngeren Phil, der Australian Football spielte. Wäre ich ein Medizinstudent ohne Fortgeschrittenenkenntnisse in Kampfsport gewesen, hätte ich mir sehr genau überlegt, mit der Freundin dieses Mannes Sex zu haben. Vielleicht war das der simple Grund, warum Phil die Identität von Rosies Vater nie erfahren hatte.
»Bring dem Prof Trainingsklamotten, und lass ihn die Einverständniserklärung unterschreiben.«
Die Frau hinter der Theke schien verwirrt.
»Das ist doch nur eine erste Einschätzung seines Trainingsstatus.«
»Die neuen Regeln gelten ab sofort«, sagte Phil.
»Ich brauche keine Trainingsstunde«, erwiderte ich, aber Phil schien dazu klare Vorstellungen zu haben.
»Sie haben eine gebucht«, meinte er. »Fünfundsechzig Kröten. Holen wir Ihnen ein Paar Boxhandschuhe.«
Ich fragte mich, ob ihm wohl bewusst war, dass er mich »Prof« genannt hatte. Vielleicht hatte Rosie richtig getippt, dass er das Foto vom Institutsball kannte. Ich hatte keine Anstalten gemacht, meinen Namen darunter anonymisieren zu lassen. Immerhin wusste ich jetzt, dass er wusste, wer ich war. Wusste er, dass ich wusste, dass er wusste, wer ich war? In gesellschaftlichen Feinheiten wurde ich immer besser.
Ich zog ein Turnhemd und eine kurze Trainingshose über, die frisch gewaschen rochen, und wir legten Boxhandschuhe an. Boxtraining hatte ich nur gelegentlich einmal absolviert, aber ich hatte keine Angst vor Schmerzen. Falls nötig, könnte ich auf bewährte Verteidigungstechniken zurückgreifen. Ich war mehr daran interessiert zu reden.
»Versuchen Sie mal, mich zu treffen«, sagte Phil.
Ich schlug ein paar leichte Schwinger, die Phil abblockte.
»Kommen Sie«, sagte er. »Versuchen Sie, mir weh zu tun.«
Er hatte darum gebeten.
»Ihre Stieftochter versucht, ihren biologischen Vater zu finden, weil sie mit Ihnen unzufrieden ist.«
Phil ließ seine Abwehr sinken, was äußerst nachlässig war. Würden wir richtig kämpfen, hätte ich ungehindert einen Treffer landen können.
»Stieftochter?«, fragte er nach. »So nennt sie sich selbst? Sind Sie deswegen hier?«
Er holte zum Schlag aus, den ich gezielt abblocken musste, um nicht getroffen zu werden. Das merkte er und versuchte einen Aufwärtshaken. Den blockte ich ebenfalls und setzte eine Gerade, der er gekonnt auswich.
»Da es unwahrscheinlich ist, dass sie Erfolg haben wird, müssen wir das Problem mit Ihnen klären.«
Phil zielte direkt auf meinen Kopf. Ich wehrte ab und wich einen Schritt zurück.
»Mit mir?«, fragte er. »Mit Phil Jarman, der sich sein eigenes Unternehmen aus dem Nichts aufgebaut hat? Der hundertvierundfünfzig Kilo stemmen kann und bei einer Menge Frauen immer noch besser abschneidet als ein Arzt oder Anwalt? Oder ein Professor Schlaumeier?«
Er griff mit einer Kombination an, und ich konterte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich ihn zu Boden bringen könnte, kalkulierte ich
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