Das Rosie-Projekt
jetzt auch berühren, ohne Sex zu haben, was gelegentlich ganz angenehm ist.
Um die Anforderungen zu bewältigen, die das partnerschaftliche Leben mit sich bringt, und um meine Fähigkeiten auf diesem Gebiet zu verbessern, gehe ich einen Abend pro Woche zur Therapie. Das ist ein kleiner Scherz: mein »Therapeut« ist Dave, und ich erweise ihm denselben Dienst. Dave ist ebenfalls verheiratet, und in Anbetracht der Tatsache, dass ich eigentlich anders konfiguriert bin, sind unsere Themen überraschend ähnlich. Manchmal bringt er Freunde und Kollegen von der Arbeit mit – er ist Ingenieur der Kältetechnik. Wir sind alle Fans der Yankees.
Das Vaterprojekt hat Rosie erst mal nicht mehr erwähnt. Ich schrieb es dem verbesserten Verhältnis mit Phil zu sowie allen anderen Ablenkungen unseres neuen Lebens. Von ihr unbemerkt erhielt ich zu dem Thema jedoch neue Informationen.
Auf unserer Hochzeit bat mich Dr. Eamonn Hughes, den wir damals als Ersten getestet hatten, um ein Gespräch unter vier Augen.
»Da ist etwas, das Sie wissen sollten«, sagte er. »Über Rosies Vater.«
Ich hielt es für vollkommen logisch, dass der beste Freund von Rosies Mutter aus Studienzeiten die Antwort kannte. Vielleicht hätten wir einfach nur danach fragen müssen. Doch Eamonn meinte etwas anderes. Er deutete auf Phil.
»Phil hatte eine ziemlich verkorkste Beziehung zu Rosie.«
Dann war Rosie also nicht die Einzige, die Phil für einen schlechten Vater hielt.
»Sie wissen von dem Autounfall?«
Ich nickte, obwohl ich keine detaillierten Informationen besaß. Rosie hatte deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht darüber sprechen wollte.
»Bernadette saß am Steuer, weil Phil getrunken hatte.«
Dass Phil mit im Wagen gewesen war, hatte ich bereits kombiniert.
»Phil konnte sich befreien, mit gebrochener Hüfte, und zog dann Rosie aus dem Auto.« Eamonn hielt inne. Es machte ihm offensichtlich zu schaffen. »Er hat Rosie als Erste rausgezogen.«
Das war tatsächlich ein schreckliches Szenario, aber als Genetiker dachte ich sofort:
Natürlich
. Phils Verhalten unter Schmerzen und extremer Anspannung war sicher rein instinktiv gewesen. Im Reich der Tiere finden derlei Situationen auf Leben und Tod häufig statt, und Phils Entscheidung entsprach allen Theorien sowie experimentellen Ergebnissen. Während er diesen Moment gedanklich wohl noch häufig durchgespielt hatte und seine späteren Gefühle für Rosie vermutlich stark davon beeinträchtigt waren, stand seine Handlung im Einklang mit dem primitiven Drang, die Trägerin seines Erbguts zu beschützen.
Mein offenkundiger Irrtum ging mir erst später auf. Da Rosie nicht Phils biologische Tochter war, hatten solche Instinkte gar nicht greifen können. Ich verbrachte einige Zeit damit, Erklärungen für sein Verhalten zu ergründen. Meine Gedanken und die abschließende Hypothese teilte ich Rosie nicht mit.
Als ich mich an der Columbia etabliert hatte, bat ich um Erlaubnis, die DNA -Geräte für einen privaten Test zu benutzen. Sie wurde mir erteilt. Im Fall einer Ablehnung wäre das auch kein Problem gewesen, denn ich hätte die verbliebenen Proben an ein kommerzielles Labor schicken und für die Tests ein paar hundert Dollar zahlen können. Diese Option war Rosie das ganze Vaterprojekt über möglich gewesen. Inzwischen habe ich erkannt, dass ich Rosie nie auf diese Möglichkeit hingewiesen hatte, weil ich schon damals unterbewusst an einer Beziehung mit ihr interessiert war. Erstaunlich!
Ich sagte Rosie nichts vom Test. Eines Tages packte ich einfach alle Proben, die ich nach New York mitgenommen hatte, in meine Tasche.
Ich begann mit dem paranoiden Schönheitschirurgen Freyberg, der für mich der am wenigsten wahrscheinliche Kandidat war. Ein grünäugiger Vater war nicht unmöglich, aber es gab keine weiteren Hinweise, die ihn wahrscheinlicher machten als die anderen Kandidaten. Sein Unwillen, mir eine Blutprobe zu schicken, erklärte sich aus dem Umstand, dass er generell ein misstrauischer und wenig hilfsbereiter Mensch war. Meine Einschätzung war korrekt.
Dann nahm ich Eslers Probe, den Abstrich von der Gabel, die einmal um die halbe Welt und dann wieder zurückgereist war. Damals in seinem dunklen Keller war ich beinahe überzeugt gewesen, dass er Rosies Vater war. Danach aber war ich zu dem Schluss gekommen, dass er einen Freund oder die Erinnerung an einen Freund schützen wollte. Ich fragte mich, ob Eslers Entscheidung, Psychiater zu werden, durch den Selbstmord
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