Das Rosie-Projekt
zahlen?«
»Ausgezeichnet. Ich werde uns für 20 : 00 Uhr einen Tisch reservieren.«
»Sie machen Witze.«
Das war eine seltsame Reaktion. Warum sollte ich jemanden, den ich kaum kannte, mit einem Witz verwirren?
»Nein. Ist 20 : 00 Uhr nicht akzeptabel?«
»Damit ich Sie richtig verstehe: Sie wollen mich heute Abend ins
Le Gavroche
zum Essen einladen?«
Erst die Frage nach meinem Namen, und nun das! Allmählich kam mir der Gedanke, dass diese Frau mit Genes Worten »nicht die hellste Kerze auf der Torte« war. Ich erwog kurz, sie unter einem Vorwand loszuwerden oder zumindest eine Verzögerungstaktik anzuwenden, bis ich ihren Fragebogen überprüft hätte, aber mir kam spontan keine Idee, wie ich das auf gesellschaftlich akzeptable Weise anstellen könnte. Deshalb bestätigte ich nur, dass sie mein Angebot korrekt verstanden habe. Darauf drehte sie sich um und ging, und mir fiel ein, dass ich nicht einmal ihren Namen kannte.
Ich rief Gene an. Zuerst schien er verwirrt, dann erheitert. Mein effizientes Vorgehen hatte er wohl nicht erwartet.
»Sie heißt Rosie«, sagte er. »Und das ist alles, was ich dir verrate. Amüsier dich. Und denk daran, was ich über Sex gesagt habe.«
Dass Gene mir keine weiteren Details verraten wollte, war bedauerlich, da sich ein Problem abzeichnete: Im
Le Gavroche
war zur verabredeten Zeit kein Tisch mehr frei. Ich versuchte, Rosies Profil auf meinem Computer zu finden, und hier kamen mir nun doch die Fotos zugute. Aber die Frau, die in mein Büro gekommen war, sah keiner der Kandidatinnen ähnlich, deren Namen mit »R« begannen. Sie musste zu den ausgedruckten Fragebögen gehören.
Gene war mittlerweile gegangen und hatte sein Handy ausgeschaltet. Dadurch sah ich mich gezwungen, eine Maßnahme zu ergreifen, die nicht direkt illegal, zweifellos aber unmoralisch war. Ich rechtfertigte sie damit, dass es noch unmoralischer wäre, meine Verabredung mit Rosie nicht einzuhalten. Das Online-Buchungssystem des
Le Gavroche
hatte eine Anwendung für VIP s, und ich buchte eine Reservierung unter dem Namen der Dekanin, deren Zugangsdaten ich unter Verwendung relativ simpler Hackersoftware knackte.
Um 19 : 59 Uhr traf ich ein. Das Restaurant befand sich in einem größeren Hotel. Da es heftig regnete, kettete ich mein Fahrrad im Foyer fest. Zum Glück war es nicht kalt, und meine Goretex-Jacke hatte mich wunderbar trocken gehalten – das T-Shirt darunter war nicht einmal feucht.
Der uniformierte Empfangschef kam auf mich zu, deutete auf das Fahrrad, aber ehe er sich beschweren konnte, sprach ich ihn an.
»Mein Name ist Professor Lawrence, und ich habe um 17 : 11 Uhr bei Ihnen einen Tisch reserviert. Online.«
Anscheinend kannte der Empfangschef die Dekanin nicht oder nahm an, dass ich ein anderer Professor Lawrence sei, denn er sah nur auf sein Klemmbrett und nickte. Ich war beeindruckt, wie reibungslos alles verlief, wobei es nun bereits 20 : 01 Uhr und Rosie nirgends zu entdecken war. Vielleicht war sie
(b) ein bisschen zu früh
gekommen und saß bereits am Tisch.
Doch dann ergab sich ein Problem.
»Tut mir leid, Sir, aber wir haben eine Kleiderordnung«, sagte der Empfangschef.
Ich wusste davon. Es hatte in Großbuchstaben auf der Webseite gestanden: Angemessene Kleidung erwünscht.
»Kein Essen im T-Shirt, korrekt?«
»Mehr oder weniger, Sir.«
Was soll ich zu solch einer Regel sagen? Ich hatte ein Hemd in die Jackentasche gesteckt und war zudem darauf vorbereitet, während des Essens nötigenfalls meine Jacke anzubehalten, falls auch Hemdsärmel nicht erwünscht wären. Das Restaurant wäre dann hoffentlich so weit klimatisiert, dass eine dieser Anforderung angepasste Temperatur herrschte.
Ich ging weiter Richtung Eingang, doch der Empfangschef stellte sich mir in den Weg. »Tut mir leid, Sir. Vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt. Sie müssen passende Kleidung tragen.«
»Aber meine Jacke passt ganz hervorragend.«
»Ich fürchte, wir benötigen etwas Angemesseneres, Sir.«
»Was könnte bei strömendem Regen angemessener sein als eine Regenjacke?«
Der Angestellte deutete nun auf seine eigene Jacke. Um mein weiteres Verhalten zu rechtfertigen, verweise ich auf die Definition im
Oxford English Dictionary
(Kompaktausgabe, 2 . Auflage): »Jackett«
1 (a) Oberbekleidung für den oberen Teil des Körpers
.
Ich möchte außerdem anmerken, dass das Wort »jacket« in der Waschanleitung meiner relativ neuen und perfekt sauberen Goretex-Jacke steht.
Weitere Kostenlose Bücher