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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graeme Simsion
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Doch wie es schien, war die Definition hier auf »klassische Anzugjacke« beschränkt.
    »Wir können Ihnen gern ein Jackett ausleihen, Sir. In dieser Art.« Er deutete auf sein eigenes Oberteil.
    »Sie haben einen ganzen Vorrat an Jacketts? In jeder erdenklichen Größe?«, fragte ich erstaunt nach. Ich fügte nicht hinzu, dass die Notwendigkeit, solch einen Vorrat parat zu halten, auf das Versagen des Restaurants zurückzuführen sei, ihre Ankleideregel deutlich zu kommunizieren, und dass es effektiver wäre, ihre Wortwahl zu ändern oder die Regel ganz und gar abzuschaffen. Des Weiteren erwähnte ich nicht, dass die Anschaffung der Jacketts sowie deren Reinigung sich mit Sicherheit auf die Preise ihrer Gerichte auswirkten. Ob die Gäste wohl wussten, dass sie hier einen Jackettverleih mitfinanzierten?
    »Das weiß ich nicht, Sir«, erwiderte er. »Lassen Sie mich Ihnen ein Jackett besorgen.«
    Unnötig zu sagen, dass mir bei der Vorstellung, ein fremdes Kleidungsstück von dubioser Sauberkeit anziehen zu müssen, unwohl war. Einen Moment lang war ich von der schieren Unvernunft der Situation überwältigt. Ich stand bereits unter Stress, da ich mich auf die zweite Begegnung mit einer Frau vorbereitete, die meine Ehefrau werden könnte. Und nun legte mir die Institution, die ich dafür bezahlte, dass sie uns mit einer Mahlzeit versorgte – der
Dienstleister
, der doch alles Mögliche tun sollte, damit ich mich wohlfühlte –, willkürliche Hindernisse in den Weg. Meine Goretex-Jacke, ein Kleidungsstück mit Hightech-Ausstattung, das mich bereits vor Regen und Schneestürmen geschützt hatte, wurde auf irrationale, unfaire und hinderliche Weise mit dem wollenen Äquivalent des Empfangschefs verglichen. Ich hatte 1015 australische Dollar dafür bezahlt, einschließlich 120  $ extra für die individuelle Ausstattung in reflektierendem Gelb. Ich brachte meine Argumente vor.
    »Meine Jacke ist Ihrer unter sämtlichen vernünftigen Gesichtspunkten überlegen: Sie ist wasserdicht, auch bei schlechter Beleuchtung gut sichtbar und hält praktische Aufbewahrungsmöglichkeiten bereit.« Ich zog den Reißverschluss auf, um die Innentaschen zu zeigen, und fuhr fort: »Hohe Trockengeschwindigkeit, fleckenabweisend, Kapuze …«
    Der Empfangschef zeigte keinerlei deutbare Reaktion, obwohl ich mit Sicherheit schon meine Stimme erhoben hatte.
    »Hohe Reißfestigkeit …«
    Um den letzten Punkt zu illustrieren, fasste ich dem Empfangschef ans Revers. Obwohl ich keinesfalls die Absicht hatte, seine Jacke zu zerreißen, wurde ich plötzlich rücklings von einer unbekannten Person gepackt, die mich zu Boden werfen wollte. Instinktiv konterte ich mit einem sicheren, gelenkschonenden Wurf, um sie außer Gefecht zu setzen, ohne meine Brille zu gefährden. Der Begriff »gelenkschonend« gilt für Ausübende von Kampfsportarten, die wissen, wie man fällt. Diese Person wusste das nicht und landete schwerfällig zu meinen Füßen.
    Ich wandte mich um und sah einen großen Mann, der mich wütend anstarrte. Um weitere Gewalt zu verhindern, musste ich mich auf ihn setzen.
    »Geh von mir runter, verdammt! Ich bring dich um!«, schrie er.
    Angesichts dieser Drohung schien es mir unlogisch, auf seine Forderung einzugehen. In diesem Moment kam ein weiterer Mann dazu und versuchte, mich wegzuziehen. Besorgt, dass Angreifer Nummer eins seine Drohung wahr machen würde, hatte ich keine andere Wahl, als Angreifer Nummer zwei ebenfalls auszuschalten. Niemand wurde ernsthaft verletzt, aber es war eine sehr unangenehme Situation, und ich merkte, dass meine rationale Kontrolle kurz davor war, abzuschalten.
    Zum Glück traf nun Rosie ein.
    Jackettmann schien überrascht. »Rosie!«, rief er.
    Offenbar kannte er sie. Rosie sah von ihm zu mir und sagte: »Professor Tillman … Don … Was ist hier los?«
    »Sie kommen zu spät«, erwiderte ich. »Wir haben ein gesellschaftliches Problem.«
    »Du kennst den Mann?«, sagte Jackettmann zu Rosie.
    »Was denkst du denn – dass ich seinen Namen einfach geraten habe?« Rosie klang streitlustig, und ich fand, das sei nicht unbedingt der beste Ansatz. Wir sollten uns eher entschuldigen und gehen. Ich nahm an, dass wir nun nicht mehr im Restaurant speisen würden.
    Inzwischen hatte sich eine kleine Gruppe Neugieriger um uns versammelt, und mir fiel ein, dass möglicherweise ein dritter Angreifer dazukommen könnte, also musste ich es irgendwie schaffen, eine Hand freizubekommen, ohne die anderen beiden Männer

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