Das Rosie-Projekt
geeignet. Einmal glitt ich ab und schaffte es gerade noch, mich an einem Mauerstein festzuhalten. Von unten hörte ich Schreie.
Als ich schließlich den Boden erreichte, sah ich, dass sich bereits eine kleine Menge an Zuschauern versammelt hatte. Rosie stand unter ihnen. Sie schlang mir die Arme um den Hals. »O mein Gott, Don! Du hättest abstürzen können! So wichtig war das nun auch wieder nicht!«
»Das Risiko war gering. Es war nur wichtig, die Höhe zu ignorieren.«
Wir gingen zur U-Bahn. Rosie war sehr aufgebracht. Dr. Freyberg hatte sie verdächtigt, eine Art Privatdetektivin zu sein, beauftragt von einer unzufriedenen Patientin. Er wollte sie vom Sicherheitspersonal festnehmen lassen. Ob er dazu berechtigt war oder nicht – es hätte uns in eine schwierige Lage gebracht.
»Ich werde mich umziehen«, sagte Rosie. »Unser letzter Abend in New York City. Was willst du machen?«
Mein ursprünglicher Plan war der Besuch eines Steakhauses gewesen, aber da wir nun immer gemeinsam aßen, würde ich ein Restaurant wählen müssen, das für eine »Vegetarierin« mit Toleranz gegenüber nachhaltig produzierten Fischen und Meeresfrüchten geeignet wäre.
»Wir überlegen uns etwas«, sagte sie. »Da gibt es viele Möglichkeiten.«
Ich brauchte drei Minuten, um mein Hemd zu wechseln. Dann wartete ich unten weitere sechs Minuten auf Rosie. Schließlich ging ich zu ihrem Zimmer und klopfte an. Ich musste lange warten. Dann hörte ich ihre Stimme.
»Wie lange, denkst du wohl, dauert es, zu duschen?«
»Drei Minuten und zwanzig Sekunden«, antwortete ich, »es sei denn, ich wasche meine Haare, dann dauert es eine Minute und zwölf Sekunden länger.« Die zusätzliche Zeit war deshalb so lang, weil mein Pflegeshampoo sechzig Sekunden einwirken musste.
»Warte.«
Nur mit einem Handtuch bekleidet, öffnete Rosie die Tür. Sie hatte nasse Haare und sah extrem attraktiv aus. Ich vergaß, meinen Blick auf ihr Gesicht zu richten.
»Hey«, sagte sie, »kein Anhänger.« Sie hatte recht, mit dem Anhänger konnte ich mich diesmal nicht herausreden. Trotzdem hielt sie mir keinen Vortrag über unangemessenes Verhalten, sondern lächelte und trat auf mich zu. Ich war nicht sicher, ob sie noch einen weiteren Schritt machen wollte oder ob ich das tun sollte. Am Ende blieben wir beide stehen. Es war ein seltsamer, unangenehmer Moment, aber ich denke, wir trugen beide zu dem Problem bei.
»Du hättest den Ring mitnehmen sollen«, sagte Rosie.
Einen kurzen Moment lang interpretierte mein Hirn das Wort »Ring« als »Verlobungsring« und fing an, ein völlig falsches Szenario zu entwerfen. Dann ging mir auf, dass sie den präparierten Ring mit Stachel meinte, mit dem ich von Freyberg eine Blutprobe hatte nehmen wollen.
»Den ganzen Weg hierherzukommen und dann keine DNA -Probe zu kriegen!«
»Zum Glück haben wir eine.«
»Du hast eine Probe? Wie?«
»Sein Badezimmer. Was für ein Dreckspatz! Er sollte seine Prostata untersuchen lassen. Der Boden …«
»Stopp«, meinte Rosie. »Zu viel Information. Aber gute Arbeit!«
»Sehr schlechte Hygiene«, fuhr ich fort. »Für einen Chirurgen. Einen Pseudo-Chirurgen. Eine unfassbare Vergeudung chirurgischer Fähigkeiten – synthetische Materialien in den Körper einzufügen, nur um die äußere Erscheinung zu verändern!«
»Warte, bis du fünfundfünfzig bist und deine Partnerin fünfundvierzig, und sieh zu, wie du dann darüber denkst.«
»Ich denke, du bist Feministin«, erwiderte ich, obwohl ich langsam daran zu zweifeln begann.
»Das heißt ja nicht, dass ich nicht attraktiv sein will.«
»Deine äußere Erscheinung sollte für eine Bewertung durch deinen Partner irrelevant sein.«
»Das Leben ist voller ›sollte‹«, entgegnete Rosie. »Du bist der Genetiker. Jeder sieht doch, wie die Leute aussehen. Selbst du.«
»Stimmt, aber ich lasse nicht zu, dass es meine Beurteilung der Menschen beeinträchtigt.«
Ich befand mich auf gefährlichem Terrain: In der Nacht des Fakultätsballs hatte mich Rosies Attraktivität in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht. Meine Aussage stimmte mit meiner Grundhaltung überein, mit der ich andere Menschen beurteile und selbst beurteilt werden will. Allerdings hatte ich diese Überzeugung noch nie vor jemandem vertreten müssen, der mir in einem Hotel mit nur einem Handtuch bekleidet gegenüberstand. Ich ahnte, dass ich nicht die volle Wahrheit gesagt hatte.
»Wenn man den Testosteron-Faktor außer Acht lässt«, fügte ich also
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