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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graeme Simsion
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um 10 : 30  Uhr öffnete, waren wir die ersten in der Schlange. Ich hatte den Besuch gemäß der Geschichte des Universums, der Planeten und des Lebens vorgeplant. Dreizehn Milliarden Jahre in sechs Stunden. Gegen Mittag schlug Rosie vor, das Essen zu streichen, um mehr Zeit für die Ausstellung zu haben. Später blieb sie vor der berühmten Rekonstruktion der fossilen Fußabdrücke von Laetoli stehen, die von zwei aufrechtgehenden Hominiden stammen und etwa 3 , 6  Millionen Jahre alt sind.
    »Darüber habe ich einen Artikel gelesen. Es waren eine Mutter und ein Kind, die sich an den Händen hielten, richtig?«
    Das war eine romantische Interpretation, aber nicht unmöglich.
    »Hast du je daran gedacht, Kinder zu haben, Don?«
    »Ja«, sagte ich, wobei ich vergaß, die persönliche Frage abzuwehren. »Aber es scheint mir sowohl unwahrscheinlich als auch nicht ratsam.«
    »Warum?«
    »Unwahrscheinlich, weil ich mein Vertrauen in das Ehefrauprojekt verloren habe. Und nicht ratsam, weil ich als Vater ungeeignet wäre.«
    »Warum?«
    »Weil ich für meine Kinder peinlich wäre.«
    Rosie lachte. Ich fand das sehr unsensibel, aber sie erklärte: »Alle Eltern sind ihren Kindern peinlich.«
    »Auch Phil?«
    »Phil ganz besonders.«
    Um 16 : 28  Uhr waren wir mit den Primaten fertig. »O nein, das war’s schon?«, sagte Rosie. »Können wir hier noch was anderes anschauen?«
    »Zwei Sachen noch«, sagte ich. »Aber vielleicht findest du sie langweilig.«
    Ich führte sie in den Raum, in dem Kugeln in verschiedenen Größen den Maßstab unseres Universums wiedergeben. Die Darstellung selbst ist nicht dramatisch, wohl aber die Bedeutung. Nicht-Wissenschaftler, Nicht-
Natur
-Wissenschaftler, haben oft keine Vorstellung von Größe – wie klein wir im Vergleich zum Universum sind oder wie groß im Vergleich zu einem Neutrino. Ich tat mein Bestes, um es interessant zu gestalten.
    Dann fuhren wir mit dem Fahrstuhl nach oben und betraten den kosmischen Rundgang, eine hundertzehn Meter lange, spiralförmige Rampe, die die Zeit vom Urknall bis heute darstellt. An der Wand hängen hin und wieder ein paar Bilder und Fotos oder Steine und Fossilien, und ich musste sie nicht einmal ansehen, weil ich die Geschichte kenne, die ich so akkurat und dramatisch erzählte, wie ich konnte, um während des Hinabsteigens das heute Gesehene in einen Gesamtkontext zu bringen, bis wir unten ankamen und die winzige senkrechte Linie sahen, die die gesamte Geschichte der Menschheit darstellt. Das Museum sollte bald schließen, und wir waren die Einzigen, die dort standen. Bei meinen vorigen Besuchen hatte ich die Reaktionen der Leute belauscht, wenn sie das Ende erreichten. »Da fühlt man sich ganz unbedeutend, oder?«, sagen die meisten. Ich schätze, das ist
eine
Art, es zu betrachten – dass das Alter des Universums unser Leben oder geschichtliche Ereignisse oder Joe DiMaggios »Serie« irgendwie nichtig macht.
    Rosies Reaktion war allerdings eine verbale Version meiner Betrachtungsweise. »Wow«, sagte sie leise und blickte auf die dargestellte ungeheure Weite zurück. Dann, in diesem verschwindend kleinen Bruchteil der Geschichte unseres Universums, nahm sie meine Hand und hielt sie bis zur U‑Bahn fest.

27
    Bevor wir New York am nächsten Morgen verlassen würden, hatten wir noch eine wichtige Aufgabe vor uns. Max Freyberg, Schönheitschirurg und Rosies potentieller Vater mit übervollem Terminkalender, war bereit gewesen, uns um 18 : 45  Uhr eine Viertelstunde seiner Zeit zu schenken. Rosie hatte seiner Sekretärin erzählt, sie schreibe eine Artikelreihe über erfolgreiche ehemalige Studenten ihrer Universität. Ich trug Rosies Kamera und sollte als Fotograf durchgehen.
    Den Termin zu bekommen war schwierig genug gewesen, aber es war klar, dass es noch schwieriger wäre, eine DNA -Probe an einem Arbeitsplatz zu erhalten, als in normaler öffentlicher Umgebung oder irgendwo zu Hause. Vor unserer Abreise hatte ich mir den Kopf zerbrochen, wie wir das anstellen könnten, und gehofft, die Lösung würde sich durch im Hintergrund laufende Suchprozesse von allein präsentieren, aber offenbar war ich mit anderen Dingen zu beschäftigt gewesen. Das Beste, was mir einfiel, war ein Ring mit Stachel, mit dem ich während des Händeschüttelns Blut abnehmen könnte, doch Rosie hielt das für gesellschaftlich untragbar.
    Sie schlug vor, ein Haar zu entfernen, entweder heimlich oder ganz offiziell, nachdem wir es als für das Foto störend

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