Das rote Band
habe Glück, wenn mein Mann nur doppelt so alt sein wird wie ich.“
„Was wünschst du dir für einen Ehemann?“, fragte Victorian. „Ich meine, wie soll er sein? Ein Earl? Ein Marquess? Oder vielleicht ein bürgerlicher Kaufmann?“
„Reichtum ist mir egal. Aus Coldhill bin ich wenig gewohnt“, antwortete sie, überrascht von seiner Frage. „Wichtig ist, dass er mich will. Sich für mich interessiert, mich ernst nimmt und mir nicht den Mund verbietet.“ Sie dachte an Ian und Joanna. „Ich möchte eine echte Gefährtin für ihn sein, und nicht nur eine austauschbare Ware.“
„Das klingt gut.“
„Es ist ein Wunschtraum“, sagte sie. „Ich kann nicht heiraten, weil ich dann Coldhill verlassen müsste, und das geht nicht. Denn wer sollte dort meine Arbeit verrichten? Mein Bruder braucht mich, denn er wird aufgrund seiner Krankheit keine Ehefrau finden, und Vater und Mutter werden älter und gebrechlicher.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann meine Familie nicht im Stich lassen.“
Victorian schwieg und wirkte mit einem Mal sehr niedergeschlagen.
Eloïse lächelte. „Da sind die üppigen Damen doch die angenehmere Wahl!“ Sie klopfte ihm auf den Arm, um das unschöne Thema zu beenden. „Komm, wir sollten uns um die Setzlinge kümmern. Dein Hemd kannst du übrigens auslassen, mir gefällt dein Körper auch sehr gut.“ Sie zwinkerte ihm zu und stand auf.
Er erhob sich ebenfalls. „Um einen dummen Spruch bist du wirklich nie verlegen.“
So ist es, dachte Eloïse, denn es war die einzige Möglichkeit, ihre wahren Gefühle vor ihm zu verbergen.
19
„Dreiundneunzig plus zwölf gleich fünfundneunzig?“ Grinsend ließ Eloïse das Blatt Papier in ihrer Hand sinken. „Walraven ist dem Untergang geweiht, wenn du Duke wirst, Victorian!“
Es war ein stürmischer Morgen Ende Oktober, und sie standen auf einer kleinen Wiese hinter der Burg, um sie mittels Schnüren, Maßbändern, Senklot und Latten zu vermessen und eine Landkarte anzufertigen. Lord Tennison hatte sie für diese Übung in Gruppen eingeteilt, und sie und Victorian arbeiteten mit Leroy und Prosper zusammen.
Victorian, der mit den anderen beiden Studenten die Festpunkte markierte, lief zu ihr. „Ich habe mit den Zahlen gerechnet, die du notiert hast, Eloïse“, sagte er. Er nahm ihr das Papier aus den Fingern und starrte ungläubig auf die Notizen. „Du hast eine furchtbare Handschrift“, schimpfte er kurz darauf. „Ich dachte, die Neun sei eine Acht! Was hast du während des Schönschreibunterrichts gemacht, den du als Mädchen sicherlich hattest?“
„Gezeichnet“, gab sie zu.
„Soso.“ Ein lauernder Blick trat in seine Augen. „Und mir vorwerfen, ich könne nicht rechnen!“
Bevor Eloïse etwas erwidern konnte, packte er sie, warf sie über seine Schulter und trug sie in Richtung des Baches, der an der Wiese vorbeifloss. „Ein kaltes Bad wird Euren Übermut dämpfen, Mylady“, erklärte er.
„Das wagst du nicht!“
Victorian lachte und beschleunigte seine Schritte, während Eloïse empört mit den Händen auf seinen Rücken trommelte.
„Hey, Eloïse, Victorian, wo rennt ihr hin?“, ertönte plötzlich Prospers Stimme hinter ihnen. „Es fängt an zu regnen! Wir müssen schleunigst zusammenpacken.“
„Da hast du aber verdammtes Glück, Eloïse.“ Enttäuscht setzte Victorian sie wieder auf der Erde ab.
Eloïse trat einen Schritt zurück und wollte zu einer Erwiderung ansetzen, knickte aber mit dem Fuß um und geriet ins Wanken. Victorian streckte seine Arme aus, fing sie auf und zog sie an sich. Sie fiel gegen seinen Oberkörper, ihr Gesicht nur Zentimeter von seinem entfernt. Eloïse vergaß, was sie hatte sagen wollen. Sie vergaß Prosper, und sie vergaß den Regen. Sie schloss die Augen und wünschte, er würde sie küssen.
„Keine Ohnmachtsanfälle vortäuschen, Eloïse!“
Sie öffnete die Augen wieder und sah in Victorians belustigtes Gesicht.
„Ich habe keine Lust, dich den ganzen Weg bis zur Burg zu tragen.“ Er reichte ihr seine Hand und geleitete sie zur Wiese zurück.
Schweigend und enttäuscht lief sie neben ihm her. Sie brauchte sich keine Hoffnungen zu machen. Er sah in ihr den Freund, nicht die Frau.
Als sie auf Höhe der Waffenhalle waren, setzte der Regen richtig ein.
„Eloïse, nimm die Papiere und geh hinein, bevor sie durchweichen“, rief Victorian ihr zu. „Wir bringen die Messinstrumente in den Geräteschuppen und kommen dann zu dir.“
Eloïse nickte und
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