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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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hatte.“
     
    „Oh nein, es regnet schon wieder!“ Eloïse stand mit Victorian an der kleinen Pforte und sah ins Freie. Das Wort regnen war eine glatte Untertreibung, denn es goss in Strömen. Das Gelände um die Burg hatte sich in eine Morastlandschaft verwandelt, und überall hatten sich riesige Pfützen gebildet. „So komme ich nicht zum Gewächshaus.“ Eloïse deutete auf den Saum ihres Kleides, unter dem ihre Fußspitzen hervorsahen. „Meine flachen Schuhe halten dem vielen Wasser nicht stand. Ich gehe in mein Zimmer und ziehe Korins Stiefel an.“
    „Nein, wir gehen sofort.“ Victorian zog sein Wams aus und hängte es Eloïse über Kopf und Schultern. Dann beugte er sich zu ihr und hob sie hoch.
    „Du kannst es so gar nicht leiden, wenn etwas deine Pläne durchkreuzt.“ Eloïse lachte und schlang ihre Arme um seinen Hals, um sich festzuhalten.
    Victorian trat mit ihr hinaus, und schon prasselten dicke Tropfen auf sie nieder. „Oh ist das unangenehm!“, schimpfte Eloïse.
    „Was soll ich da sagen?“, fragte Victorian und setzte beharrlich seinen Weg durch den Schlamm fort. Er war mittlerweile völlig durchnässt, und Eloïse wischte ihm das Wasser von der Stirn.
    „Nimm deine Hände vor meinen Augen weg, sonst fallen wir beide in den Dreck“, rief Victorian. Er trat in eine tiefe Pfütze, und das braune Wasser spritzte nach oben.
    „Du brauchst gar nicht fallen.“ Eloïse kicherte. „Du schaffst es auch so, dass wir aussehen wie die Schweine.“
    „Vielleicht sollte ich dich einfach loslassen“, sagte er und lockerte kurz seinen Griff.
    „Untersteh dich!“ Sie schlang ihre Arme fester um seinen Hals. „Es war deine Idee. Ich hätte den Schauer abgewartet.“
    „Oh ja, Eloïse, die Geduld in Person“, antwortete er ironisch. „Aber wir haben es gleich geschafft. Da vorne ist das Gewächshaus.“
    „Wo ist der Schlüssel, Victorian?“, fragte Eloïse, als er vor der verschlossenen Tür zum Stehen kam.
    „In meiner Hosentasche.“ Er verzog das Gesicht. „Eine Fehlplanung. Tut mir leid, ich muss dich absetzen, um ihn herausholen zu können.“
    Eloïse quiekte, als sie im aufgeweichten Boden versank und das kalte Wasser in ihre Schuhe lief. Geistesgegenwärtig raffte sie ihre Röcke hoch, um sie vor dem Schmutzwasser zu schützen.
    Victorian hatte den Schlüssel aus seiner Hosentasche hervorgekramt und öffnete die Tür. Eloïse zog ihre Füße aus dem Schlamm und trat ebenfalls ein. Das Gewächshaus besaß einen kleinen Kamin, und Victorian machte sich sofort daran, die Glut zu entfachen. Kurz darauf züngelten die ersten kleinen Flammen nach oben.
    „Feuer machen kannst du wirklich gut“, lobte Eloïse.
    „Wieso glaubt eigentlich jeder, ich sei vollkommen lebensunfähig?“, empörte sich Victorian. Er richtete sich auf, zog sein nasses Hemd aus und hängte es zum Trocknen auf einen Stuhl neben dem Kamin. Anschließend entledigte er sich seiner nassen Stiefel und stellte sie ordentlich daneben.
    Eloïse seufzte. Eigentlich müsste sie den Anblick halb nackter Männer inzwischen gewohnt sein. Die Studenten genierten sich nicht, sich beim Waffentraining vor ihr auszuziehen, denn für die jungen Männer war sie keine Dame, sondern schlichtweg Eloïse – eine von ihnen. Aber bei Victorian lag die Sache anders. Der Anblick seines entblößten Oberkörpers reichte jedes Mal aufs Neue aus, ihren Herzschlag zu beschleunigen. Schnell wandte sie den Kopf zu der noch offen stehenden Tür. Der Earl hatte ihr gestattet, Victorian weiterhin im Gewächshaus zu helfen, unter der Bedingung, dass die Tür nicht geschlossen wurde. Allerdings war die Burg im Moment überhaupt nicht mehr zu sehen, so dicht fiel der Regen. Sie waren wie von der Welt abgeschnitten. Zu zweit alleine.
    „Warum kommst du nicht ans Feuer und wärmst dich, Eloïse?“ Einladend klopfte Victorian auf den Stuhl.
    Sie hielt sein Wams hoch. „Ich habe kaum Regen abbekommen“, antwortete sie, ging aber trotzdem zu ihm und setzte sich folgsam auf den Stuhl.
    Victorian kniete sich vor sie. „Deine Füße sind nass“, sagte er. Er zog ihr die Schuhe aus und befühlte ihre nackten Fußsohlen. „Und eiskalt. Von kalten Füßen bekommt man Schnupfen.“
    „Behauptet wer?“, fragte Eloïse.
    „Manon.“ Er begann, ihren rechten Fuß mit seinen Händen warm zu reiben. „Meine Amme. Sie kennt sich in solchen Dingen gut aus.“
    „Was ist eigentlich mit deiner Mutter?“, erkundigte sich Eloïse, einer plötzlichen Eingebung

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