Das rote Band
seine Stiefel hinunter, „kann ich noch nichts sagen.“
Eloïse bohrte ihm ihren Ellenbogen in die Seite, während er sie zur Tanzfläche führte. Auf dem Weg dorthin fing sie nicht nur den erleichterten Blick von Lord Lionsbridge auf, sondern auch Joanna lächelte ihr dankbar zu.
„Sag mal, Eloïse“, fragte Ian, als sie den zweiten Tanz begannen, „wie viele Tänze hat Galad mit dir durchgehalten?“
Eloïse errötete und trat vor Schreck mit dem falschen Bein nach vorne, woraufhin Ian sofort schmerzverzerrt das Gesicht verzog.
„Tut mir leid“, sagte Eloïse. „Äh, fünf Tänze.“
„Da habe ich Galads Durchhaltevermögen doch grundlegend unterschätzt.“ Ian grinste. „Für die nächste Feier werde ich mir etwas einfallen lassen, um statt meines Widersachers lieber meine Füße zu schonen.“
Eloïse streckte ihm die Zunge heraus, doch innerlich war sie stolz auf sich, dass es ihr gelungen war, Ian von möglichen Dummheiten abzuhalten.
„Begleitet Ihr Ian heute nicht zum Fechttraining, Samuel?“ Zwei Tage später stand Galad im Flur und sah Samuel fragend an, der vor der Tür seines Gästezimmers mit einer Dienstmagd schäkerte. „Der Unterricht hat längst begonnen.“
„Ich war beschäftigt“, erwiderte Samuel und gab der Magd einen Klaps auf den Hintern. „Ian kann schon mal alleine anfangen.“
„Es gibt den Studenten ein schlechtes Bild, zu spät zum Unterricht zu erscheinen“, entgegnete Galad.
Samuel grinste. „Ich weiß, Ihr könnt mich nicht leiden, Galad, aber Ihr müsst Euch wohl oder übel mit meiner Anwesenheit hier abfinden. Ich bin der Freund und Kampfgefährte des Earls und Ihr nur sein Schriftgelehrter. “
„Manchmal ist die Feder mächtiger als das Schwert.“
Samuel lachte. „Das ist der Lieblingsspruch von allen, die nicht kämpfen können! Aber Ihr dürft mir gerne das Gegenteil beweisen, Galad. Begleitet mich in die Waffenhalle.“
„Nein, ich bleibe bei Papier und Feder“, erwiderte Galad höflich. „Denn damit bin ich weitaus gefährlicher.“
„Eloïse, wer ist dieser Lord, der Lady Joanna zum Frühstück hereinführt?“, fragte Victorian interessiert, der erst am Vorabend von seiner Reise zurückgekehrt war.
„Eine Plage!“ Eloïse schnaubte. „Sein Name ist Samuel of Redcliff, der Sohn eines Barons aus dem Südwesten Telamens. Er ist ein guter Freund des Earls, seit sie vor Jahren zusammen im Heer des Königs gedient haben. Er kam an dem Tag an, als du abgereist bist, und macht seitdem Ian und uns das Leben schwer.“
Victorian hob eine Augenbraue.
„Samuel soll Ian im Fechtunterricht unterstützen.“ Eloïse schüttelte den Kopf. „Er ist einfach nur furchtbar. Wenn du jemals geglaubt hast, ich würde Unsinn reden … Du wirst es am Montag selbst erleben.“ Sie lächelte. „Wie war es in White Sands?“
„Schön. Der kleine Simon hat zwar durchgehend geschrien, aber die Feierlichkeiten hat das nicht weiter beeinträchtigt. Da fällt mir ein“, Victorian griff in seine Tasche, „ich habe dir etwas mitgebracht. Gib mir deine Hand.“
Gehorsam streckte Eloïse ihre Hand über den Tisch, und Victorian ließ einen Gegenstand hineingleiten. Überrascht sah Eloïse, dass es sich um eine weiße, fächerartige Muschel handelte, die im Inneren perlmuttfarben schimmerte und an einer silbernen Kette befestigt war. Staunend betrachtete sie das Schmuckstück in ihrer Hand.
„Die Burg des Dukes of White Sands liegt direkt am Meer“, erklärte Victorian. „Ich habe die Muschel bei einem Spaziergang am Strand gefunden. Auf dem Rückweg habe ich bei einem Goldschmied in Kerlington gehalten und die Kette gekauft.“ Er hob entschuldigend die Hände. „Es ist kein wertvolles Geschenk, aber ich dachte, es gefällt dir vielleicht.“
Sie strahlte ihn an „Das tut es, danke!“
„Soll ich … Darf ich dir die Kette anlegen?“
„Oh ja, selbstverständlich.“ Eloïse senkte den Kopf, und Victorian trat hinter sie. Behutsam legte er ihr den Schmuck um den Hals und schloss die Kette in ihrem Nacken.
Eloïses Finger berührten die kleine Muschel. Sie hatte noch nie zuvor ein Geschenk von einem Mann erhalten, aber das wusste Victorian natürlich nicht.
„Begleitest du mich heute Nachmittag ins Gewächshaus, Eloïse?“
Seine Frage riss sie aus ihren Gedanken. „Gerne. Wir könnten aber auch jetzt schon gehen, denn Ian hat gestern Abend den Waldlauf für heute Morgen abgesagt, weil es den ganzen Tag über so stark geregnet
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