Das rote Flugzeug
geboren«, beschwerte sich Cox. »Ich hätte erst im Jahr neunzehnhundertachtzig zur Welt kommen sollen, dann wäre ich fliegender Polizist geworden.«
»Sie sind in einem Glücksjahr geboren, Sergeant Cox«, entgegnete Elizabeth und warf Knowles einen vorwurfsvollen Blick zu. »Bitte, kommen Sie doch herein. Würden Sie sich die junge Frau einmal ansehen, Doktor?«
»Ja. Natürlich. Ich untersuche sie gleich. Cox kann danach zu ihr gehen.«
Er ging mit Elizabeth davon, während Nettlefold den Polizeibeamten in sein sogenanntes Arbeitszimmer führte, das sich auf der Südseite des Hauses befand.
Elizabeth ging Knowles durch den kühlen, dämmrig erleuchteten Flur voraus und blieb vor der Tür zu ihrem Zimmer stehen. Das Lächeln des Willkommens war erloschen, statt dessen lag ein bitterer Ausdruck in ihren dunklen Augen.
»Es ist wirklich das Schlimmste, was ich je gesehen habe«, sagte sie leise und heftig. »Das arme Ding kann nicht einen Muskel bewegen. Sie kann nicht einmal ihre Augenlider öffnen und schließen. Bitte, Doktor, versprechen Sie mir eines, ehe wir hineingehen.«
»Was denn?«
Sie sah ihn an. Seine Wangen waren von feinen bläulichen Äderchen durchzogen, Spuren seines ausschweifenden Lebens. Seine Augen waren blutunterlaufen, seine Finger, die über das schmale schwarze Bärtchen strichen, zitterten stark. Trotz seiner achtunddreißig Jahre, trotz des Raubbaus, den er mit seiner Gesundheit trieb, sah er immer noch gut aus. Seine kultivierte englische Ausdrucksweise war das einzige, worin sein Lebenswandel sich nicht niedergeschlagen hatte.
»Was soll ich Ihnen versprechen?« fragte er noch einmal, als sie fortfuhr, ihn stumm anzublicken.
Mit einem Ruck kam sie zu sich. »Versprechen Sie mir, daß Sie sie nicht in ein Krankenhaus bringen lassen. Hetty und ich werden sie mit aller Fürsorge pflegen. Wir werden alles tun, was Sie sagen, und mein Vater hat versprochen, daß er für alle Ausgaben aufkommen wird.«
»Aber die Frau bedeutet Ihnen doch nichts? Oder kennen Sie sie?«
»Nein, sie ist uns allen völlig fremd. Aber ihre Pflege gibt mir die Möglichkeit, etwas zu tun, Doktor. Sie werden das nicht verstehen, aber – aber durch sie bekommt mein Leben so etwas wie einen Sinn. Sie werden sie doch nicht fortbringen lassen, nicht wahr?«
»Höchstens, wenn es zu ihrem eigenen Besten sein sollte«, antwortete er. »Kommen Sie. Gehen wir hinein.«
»Einen Moment noch! Sie werden Sergeant Cox nicht erlauben, daß er sie ins Krankenhaus nach Winton bringen läßt, nicht wahr? Versprechen Sie es mir.«
Knowles lächelte schwach. »Gut, das verspreche ich Ihnen«, sagte er und fügte mit einem Aufblitzen von Humor hinzu: »Cox schuldet mir noch etwas.«
Bei ihrem Eintritt ins Zimmer fanden sie Hetty vor, die in einem Sessel am Bett saß, neben sich eine Leselampe, deren Schein bis zum Rand des kleinen Nachttischs reichte. Hetty stand auf, als sie näherkamen.
»Das ist Mrs. Hetty Brown, wir wechseln uns in der Pflege ab.«
Knowles nickte der Frau zu und trat ans Bett. Er hob den Lampenschirm ein wenig an, so daß das Licht auf das Gesicht der Patientin fiel, und trat fast im selben Augenblick mit einem unterdrückten Ausruf zurück. Stumm, die Augen weit geöffnet, blickte er beinahe ungläubig auf die reglos daliegende junge Frau hinunter.
»Kennen Sie sie, Doktor?« fragte Elizabeth überrascht.
Sie mußte die Frage wiederholen, ehe er sich so weit gefaßt hatte, daß er ihr antworten konnte.
»Nein«, sagte er beinahe scharf und beugte sich über die hilflose junge Frau.
Elizabeth bemerkte, daß seine Hände nicht mehr zitterten, und als er sprach, war seine Stimme ruhig.
»Tja, junge Dame, mal sehen, was wir hier haben«, sagte er freundlich. »Wenn Sie bei Bewußtsein sind, können Sie hören, was ich sage. Haben Sie keine Angst. Es heißt, ich wäre der beste Arzt in West–Queensland, aber da ich selbst dem nicht zustimme, brauchen Sie es auch nicht zu glauben.«
Er zog die Augenlider der Patientin hoch und blickte aufmerksam in die großen blauen Augen, deren Blick Intelligenz und inständiges Flehen verriet. Er lächelte, und Elizabeth sah, wie sein Gesicht weich wurde in tiefem Mitleid. Sie hatte viel über den fliegenden Arzt und seinen wilden Lebenswandel gehört. Sie hatte ihn oft gesehen, oft mit ihm gesprochen und hätte nie geglaubt, daß er anders als leichtsinnig und zynisch sein könne.
»Ich glaube, wenn Sie sprechen könnten, würden Sie uns eine Menge
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