Das rote Flugzeug
interessanter Dinge erzählen«, fuhr er fort. »Aber das ist im Moment unwichtig. Sie dürfen sich nicht beunruhigen. Ihre Muskeln werden ganz plötzlich wieder zu arbeiten anfangen, und je weniger Kopfzerbrechen Sie sich machen, je ruhiger Sie bleiben, desto eher wird es geschehen. Ah – ich sehe, daß Sie mich hören und verstehen. Ich ziehe jetzt Ihre Augenlider ein wenig herunter, damit Sie sich Ihre Umgebung ansehen können.«
Eine ganze Weile blieb er auf der Bettkante sitzen und betrachtete das bleiche Gesicht, das in seiner Unbewegtheit beinahe schön war. Elizabeth und Hetty beobachteten ihn, aber sie hätten nicht sagen können, was ihm durch den Sinn ging. Er schien sie beide völlig vergessen zu haben.
»Was meinen Sie?« fragte Elizabeth schließlich.
»Bitte? Oh, die junge Dame braucht vor allem Ruhe und Pflege. Ja, und ein wenig Unterhaltung, damit sie abgelenkt wird. Ich denke, wir werden sie bald wieder auf den Beinen haben. Ich sehe später am Abend noch einmal nach ihr. Jetzt möchte ich erst meinen Kollegen bitten, sie sich anzusehen. Auf Wiedersehen, junge Dame. Denken Sie daran, keine dummen Gedanken! Hetty wird Ihnen etwas vorlesen und mit Ihnen sprechen, und morgen läßt Ihnen Miss Nettlefold vielleicht das Radio hereinstellen.«
Er stand auf. Dann beugte er sich noch einmal über sie, nahm eine ihrer leblosen Hände und sagte noch einmal leise: »Auf Wiedersehen.«
Als er wieder mit Elizabeth im Korridor war und die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, fragte er: »Haben Sie irgend etwas gefunden, was darüber Aufschluß geben könnte, wer sie ist oder woher sie kommt? Wäschezeichen vielleicht oder etwas Ähnliches?«
»Ja. An einigen ihrer Sachen waren die Initialen M. M. eingestickt. Aber das ist auch alles.«
»Hm. Ein sehr hübsches Mädchen, nicht wahr? Höchstens fünfundzwanzig. Vielleicht nicht einmal zwanzig.«
»Was fehlt ihr, Doktor?«
»Ehrlich gesagt, ich habe noch keine Ahnung«, gestand er. »Hat sie etwas gegessen?«
»Nein. Sie kann schlucken, aber sie kann die Kiefer nicht bewegen.«
»Sie kann also lediglich schlucken und ein ganz klein wenig ihre Augen bewegen«, sagte er nachdenklich, wie zu sich selbst. »Nein, ich verstehe das nicht. Vielleicht weiß ich morgen mehr, wenn ich sie noch einmal untersucht habe. Was haben Sie ihr an Flüssigkeiten gegeben?«
»Milch.«
»Gut. Aber geben Sie ihr nicht zuviel davon. Geben Sie ihr auch Kakao und Bouillon. Ich mache Ihnen eine Liste, ehe ich wieder verschwinde. Geben Sie ihr heute abend einen Teelöffel Kognak in Kaffee. Wer bleibt in der Nacht bei ihr?«
»Ich. Ab zehn Uhr.«
»Ah ja. Ich kann mir vorstellen, daß Sie eine sehr gute Pflegerin sind, Miss Nettlefold. Ich schaue noch einmal herein, ehe ich zu Bett gehe. Und jetzt lassen wir Sergeant Cox seinen Besuch machen – als mein Kollege.«
»Warum das?«
»Weil ich nicht zulasse, daß meine Patientin von einem Polizeibeamten in Angst und Schrecken versetzt wird.«
Sie führte ihn ins Arbeitszimmer, wo Cox dabei war, sich nach Nettlefolds Bericht Aufzeichnungen zu machen.
»Und — kennen Sie sie?« fragte der Sergeant.
»Nein. Ich habe sie noch nie gesehen«, antwortete Knowles, und Elizabeth warf ihm einen neugierigen Blick zu.
»Kann ich Sie mir jetzt ansehen?«
»Bitte«, sagt« Knowles ein wenig kurz. Als der Sergeant aufstand, fügte er hinzu: »Die Patientin leidet an einer Form von Muskellähmung. Sie ist bei Bewußtsein, und ihr Verstand ist klar, aber sie ist unfähig, sich zu artikulieren. Es ist mir völlig schnuppe, wer das Flugzeug gestohlen hat. Das einzige, was mich interessiert, ist meine Patientin, und ich möchte auf keinen Fall, daß sie geängstigt oder beunruhigt wird. Sie ist Ihnen hilflos ausgeliefert. Ich habe ihr deshalb gesagt, Sie seien ein Kollege von mir und wollten sie sich nur auch einmal ansehen. Es hat keinen Sinn, daß Sie ihr Fragen stellen, aber werfen Sie ruhig ein Blick ins Zimmer, und sehen Sie, ob Sie sie kennen.«
Cox warf dem Doktor einen zornigen Blick zu, aber der ging ganz ungerührt zum Büffet an der Wand, wo eine Karaffe, Gläser und eine Sodaflasche standen.
»Ich werde sie nicht aufregen«, versprach Cox hastig. »Glauben Sie, daß sie das Flugzeug gestohlen haben könnte?«
»Nein – auf keinen Fall.«
»Und worauf gründet sich diese Überzeugung?«
»Im Moment gibt es nichts Eindeutiges, worauf irgendeine meiner Überzeugungen gründen könnte.« Knowles kam mit einem gefüllten Glas
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