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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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und verstetigt. Dies aber war bei der Rotkreuzbewegung sehr rasch der Fall. Zwar wussten die allesamt von einem calvinistisch-bürgerlichen Milieu geprägten Mitglieder des Gründungskomitees noch sehr wohl, was sie im Innersten zusammenhielt – und konnte damit auch hier noch lange Zeit vieles unausgesprochen bleiben. Im Außenverhältnis aber, gegenüber Staaten, den nationalen Rotkreuzgesellschaften, aber auch gesellschaftlichen Gruppen und einflussreichen Einzelpersönlichkeiten war man rasch gezwungen, sein Selbstverständnis zu konkretisieren: «Unparteilichkeit, Freiwilligkeit, Nichtdiskriminierung, Neutralität und Solidarität zwischen den Gliedern der Rotkreuzbewegung» waren erste, noch wenig systematische Stichworte, die Gustave Moynier in einer Reihe von Schriften formulierte und die auch Eingang in verschiedene Resolutionen der frühen Rotkreuzkonferenzen fanden. Eine umfassende Selbstvergewisserung in Form von Grundsätzen oder gar einer ausgefeilten Doktrin war für die damals in einem weitgehend homogenen, einerseits christlich-monarchisch und andererseits liberal-bürgerlich geprägten Umfeld verortete Rotkreuzbewegung wohl auch noch gar nicht vonnöten.
    Dies sollte sich im 20. Jahrhundert radikal ändern. Für eine Bewegung, die sich – historisch und durch ihren Kernauftrag bedingt – durch eine besondere Staatsnähe auszeichnete, bargen politische und gesellschaftliche Erschütterungen durch Gewaltherrschaft, zwei Weltkriege und ideologische Spaltung erheblichesKonfliktpotential. Schon 1921 nahm das IKRK denn auch vier Grundsätze in seine Statuten auf und erklärte sich selbst zu deren Hüter in der weltweiten Rotkreuzbewegung: Unparteilichkeit, politische, religiöse und wirtschaftliche Unabhängigkeit, Universalität des Roten Kreuzes und Gleichheit der nationalen Gesellschaften. Die Statuten von 1928 bestätigten diese «Prinzipien des Roten Kreuzes» und schufen damit eine explizite, wenn auch noch rudimentäre ideelle Basis für den Zusammenhalt der zunehmend heterogenen Glieder der Gesamtbewegung. Der Zweite Weltkrieg und die in seinem Schatten begangenen Menschheitsverbrechen ließen ein Prinzip besonders schmerzlich vermissen, dasjenige der Menschlichkeit. Dass diesem Prinzip in dem unmittelbar nach der humanitären Katastrophe einsetzenden Selbstbesinnungsprozess der ihm gebührende Rang in der Werteskala des Roten Kreuzes eingeräumt wurde, nämlich der oberste, verdankt sich insbesondere dem bereits erwähnten Jean Pictet. Seine programmatische Schrift von 1955 («Die Grundsätze des Roten Kreuzes») beginnt mit den wirkungskräftigen Worten:
    «Der Grundsatz der Humanität nimmt eine Sonderstellung in der Lehre des Roten Kreuzes ein; alle anderen Grundsätze hängen davon ab. Als Grundlage der Institution zeigt er ihr zugleich ihr Ideal, ihre Beweggründe und ihr Ziel. Hätte das Rote Kreuz nur einen einzigen Grundsatz, so müsste es dieser sein.»
    Überraschend schnell und reibungslos wurde die Essenz der von Pictet formulierten Grundsätze mitten im Kalten Krieg über alle politischen, ideologischen und kulturellen Gräben hinweg zum programmatischen Grundgesetz der universellen Rotkreuzbewegung. Ein durchaus bemerkenswerter Vorgang.
    Die substantiellen Grundsätze der Menschlichkeit und Unparteilichkeit sowie die davon abgeleiteten, weil deren effektive Umsetzung erst ermöglichenden Grundsätze der Neutralität und Unabhängigkeit bilden bis heute nicht nur das geistige Band, das die Rotkreuzbewegung im Innersten zusammenhält. Als integraler Bestandteil der Rotkreuzstatuten sind sie vielmehr für alle Glieder der Rotkreuzbewegung auch rechtlich verbindlich.Gleiches gilt für die organisatorischen oder institutionellen Grundsätze der Freiwilligkeit, Einheit und Universalität. Diese sollen Homogenität und Zusammenhalt innerhalb der Bewegung sicherstellen und weisen ihrerseits wiederum einen engen sachlichen Zusammenhang zum Humanitäts- und Neutralitätsgrundsatz auf.
    Grundsätze der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung
    Die folgenden sieben Grundsätze wurden von der XX. Rotkreuzkonferenz 1965 in Wien proklamiert und durch eine den Begriff «Internationales Rotes Kreuz» durch «Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung» ersetzende Fassung in den von der XXV. Rotkreuzkonferenz 1986 in Genf verabschiedeten Statuten in modifizierter Form bestätigt:
    Menschlichkeit. Die internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, entstanden aus dem Willen, den Verwundeten der

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