Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
und erntete einen bösen Seitenblick von Lina. Dann stand er auf. «Wir haben noch etwas abzuliefern.»
Auch der Baron verabschiedete sich mit Bedauern.
Bürgermeister Weinhagen schien immer noch unter dem Eindruck des Treffens bei Franz Haniel zu stehen, als Borghoff vor dem Rathaus vorfuhr und die Leichen ablieferte. «Ein Polizeidiener soll zum Hause Haniel gehen und bitten, dass sich jemand die zweite Leiche ansieht. Es könnte der entlassene Diener sein.»
Der Baron verabschiedete sich, Borghoff folgte dem Bürgermeister in sein Büro. «Ich hoffe, Sie hatten nichts dagegen, dass ich veranlasst habe, das Zimmer des Kutschers bei von Sannberg durchsuchen zu lassen.» Weinhagen deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch, und Borghoff setzte sich.
«Nein, das war ganz richtig. Wurde etwas gefunden?»
Der Bürgermeister nickte. «Schmuckstücke oder Kleiderfetzen, die von einigen der Opfer stammen, auch von der Hure, die Neujahr ermordet wurde. Selbst einen Knopf von der Soutane des erhängten Priesters und das hier …» Er hielt eine schwarze Schärpe hoch.
Borghoff runzelte die Stirn. «Sein Zingulum. Das ist alles ein wenig zu einfach, nicht wahr?»
«Wie meinen Sie das?»
«Nun, uns wird Hans Brecht als der Übeltäter tot in eine Jagdhütte gehängt, wir müssen ihn nur abschneiden, und alle Beweise deuten auf ihn als Täter. Und selbst der verschwundene Junge taucht wieder auf.»
«Sie glauben nicht, dass er der Mörder war?»
Borghoff lachte kurz auf. «Eigentlich glaube ich, dass er durchaus der Mörder sein könnte. Er war der Handlanger des Ordens, ihr willfährigstes Werkzeug. Aber ein solcher Mann würde nicht mit einem Kind in eine Waldhütte flüchten, seinen Komplizen ermorden und sich dann aufhängen.» Er dachte kurz nach. «Nein, ich bin sicher, dass man uns das alles hier präsentiert hat, damit wir glauben, den Täter zu haben, und den Orden in Ruhe lassen. Selbst damit, dass sie Oskar wieder herausgegeben haben, scheinen sie guten Willen zeigen zu wollen – obwohl ich denke, dass sie noch ein anderes Kind haben, das des Opfers von heute morgen. Noch sind sie nicht mächtig genug, noch brauchen sie Zeit, um zu wachsen.»
Weinhagen schüttelte zweifelnd den Kopf. «Irgendwie kann ich immer noch nicht glauben, dass diese Dinge, von denen Sie erzählt haben, wirklich passieren.» Dann sah er Borghoff fest an. «Aber ich muss es ja wohl, wenn selbst Franz Haniel davon überzeugt ist. Er wird ihnen heute offiziell den Krieg erklären.»
«Wie das?»
«Heute Abend ist eine Versammlung der wohlhabenden Bürger in der Gesellschaft Erholung . Und Haniel hat mit den anderen abgesprochen, dass den besagten Familien der Zutritt verweigert werden wird. Sie sollen merken, dass sie hier nicht mehr erwünscht sind.»
Borghoff fragte sich, ob der Bürgermeister wirklich glaubte, dass dies allein ausreichend sein könnte, um den Orden von hier zu vertreiben, aber vielleicht war es genau richtig, diese Leute jetzt so unter Druck zu setzen.
«Ich hoffe», fuhr der Bürgermeister fort, «dass Haniel, Liebrecht und Borgemeister genug tun werden, um den Schaden, der durch den möglichen Rückzug der neuen Familien in Ruhrort entsteht, wieder auszugleichen.»
«Wenn dieser Albtraum ein Ende hat, werden sich sicher auch andere finden, die ihr Geld hier investieren wollen, Herr Bürgermeister», beruhigte ihn Borghoff.
5. Kapitel
Finchen lachte und sang den ganzen Tag, den kleinen Oskar immer bei sich in seinem Korb, und selbst Antonie schien von ihrer Fröhlichkeit angesteckt.
Auch Lina war bester Laune, die nur ab und zu durch den Gedanken an die Nacht des morgigen 31. Oktober getrübt wurde. Sie hatte inzwischen ihr Geld bekommen, die fünftausend Thaler bei Goldstein deponiert und die Jahresrente für das noch laufende Jahr mit nach Hause genommen. Weder Georg noch Bertram hatte sie seit der Übergabe des Vertrags gesehen, doch Cornelius von Sannberg hatte sie wissen lassen, dass sie wieder ins Geschäft gekommen waren und nun planten, gemeinsam von Müllers Anteil aufzukaufen.
Er hatte ihr auch von dem Eklat in der Gesellschaft Erholung am vergangenen Freitag erzählt, als man Wienhold, von Müller und ihre Freunde nicht hereingelassen hatte. Daraufhin waren einige wenige der alteingesessenen Unternehmer im Saal aufgestanden und gegangen. Andere, von denen Lina wusste, dass auch sie zumindest Geschäfte mit dem Orden gemacht hatten, wenn nicht Schlimmeres, waren geblieben.
Die
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