Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
es denn?», fragte sie, denn sie hatte das letzte Gespräch mit Mina nicht vergessen.
«Nicht hier, Lina», sagte Mina immer noch lächelnd und deutete auf Aaltjes kleinen Salon.
Lina drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür. Sie merkte nur noch, wie Mina ihr einen kleinen Schubs gab, stolperte hinein und wurde aufgefangen von jemandem, den sie nicht sehen konnte. Was sie aber sah, war jemand anderes, und sie war so entsetzt, dass sie nicht einmal schreien konnte.
«Haben Sie wirklich geglaubt, Sie könnten mir entkommen?», sagte Reppenhagen, und auch er lächelte. Dann spürte sie einen Schlag auf ihrem Kopf, und alles wurde dunkel.
Robert Borghoff hatte den ganzen Tag über den Plänen für den Sturm der Schmuggelkeller gebrütet. Da er sicher war, dass die Ordensmitglieder spätestens nach der Brüskierung durch Haniel und seine Freunde sehr wachsam sein würden und sicher auch das Rathaus unter Beobachtung hatten, fanden Besprechungen mit allen Beteiligten getrennt und an verschiedenen Orten statt. Robert war sehr dankbar, dass Franz Haniel ihm noch einmal Hinnerk Dehnen zur Seite gestellt hatte, denn nur mit Ebel und Thade hätte sich das Unternehmen sehr mühsam gestaltet.
Dehnen und ein paar andere sollten, sobald sich der Orden im Gewölbe versammelt hatte, in das Wohnhaus der Wienholds eindringen und die Falltür bewachen, um so mit möglichst wenig personellem Aufwand eine Flucht zu verhindern.
Sorgen machte Borghoff die Menge der Ein- und Ausgänge. Keiner konnte sagen, wie viele Häuser noch, so wie das Wienhold’sche, mit dem Gangsystem verbunden waren, und schon gar nicht, wie viele davon inzwischen Ordensmitgliedern gehörten. Sie waren unmöglich alle zu bewachen. Er entschied, dass nur die Hauptausgänge beim Hafen, der Ruhr und außerhalb von Häusern, ähnlich dem inzwischen zugemauerten Eingang an der katholischen Kirche, von der Bürgerwehr bewacht werden sollten.
Er selbst wollte mit den Polizeidienern und ein paar Bürgerwehrmännern in das Gewölbe eindringen. Die Pläne waren in den letzten Tagen für alle mehrfach abgezeichnet worden, nun hatte er für die einzelnen Gruppen ihre Standorte eingetragen. Es war jetzt nach acht, und Borghoff rollte die Karten zusammen, nicht ohne jede einzelne noch einmal von außen sorgfältig zu beschriften.
Er freute sich darauf, heimzukommen, er freute sich auf Lina. Es wunderte ihn, dass in ihren Fenstern kein Licht zu sehen war. Schlief sie schon? Leise klopfte er an ihre Tür. Nichts. Dann entschloss er sich, einfach einzutreten.
Der Raum war eiskalt, hier brannte bestimmt schon seit dem Morgen kein Feuer mehr. Er stellte die Kerze, die er sich unten genommen hatte, ab und erkannte, dass Lina ihre Nähmaschine mitten in der Arbeit verlassen hatte. Unruhe stieg in ihm hoch. Eine Hoffnung hatte er noch – vielleicht wartete sie oben auf ihn?
Doch auch seine Zimmer waren dunkel und leer. Ohne den Mantel auszuziehen, rannte er wieder nach unten. Durch die Tür zum Hinterzimmer des Ladens fiel Licht. Clara und Wilhelm waren noch mit Buchhaltungsarbeiten beschäftigt.
«Haben Sie Fräulein Kaufmeister gesehen?», fragte Robert, ohne auch nur einen Augenblick darüber nachzudenken, dass es sich nicht gehörte, wenn er abends nach einer alleinstehenden Dame suchte.
«Nein, sie war den ganzen Tag nicht hier», sagte Clara. «Finchen hat erzählt, sie wäre zu ihrer Schwägerin gegangen, weil deren Kind gestorben sei.»
Innerlich atmete Robert auf. Lina war bei ihrer Familie. Sie verbrachte wohl die Nacht bei ihrer trauernden Schwägerin. Er beschloss, bald zu Bett zu gehen. Vielleicht ist es ganz gut, wenn sie heute nicht hier ist , dachte er. Dann komme ich nicht in Versuchung, sie die halbe Nacht über zu lieben und morgen Nacht todmüde in den Kampf zu ziehen.
Lina erwachte in der Dunkelheit. Sie lag auf dem nackten Boden und fror. Vorsichtig tastete sie ihre Umgebung ab. Der Boden war harter Lehm, die Wände waren aus Stein. War sie in einem der vielen Räume der Schmuggelkeller?
Sie setzte sich auf. Ihr Kopf dröhnte. Vorsichtig fasste sie an die Stelle, an der der Schlag sie getroffen hatte, und spürte etwas verkrustetes Blut. Sie versuchte aufzustehen, aber ein sofort einsetzender Schwindel zwang sie zurück auf den Boden. Sie haben mich hier eingesperrt , dachte sie. Egal, ob ich in der Dunkelheit eine Tür finde, sie wird verschlossen sein.
Die Wände ihres Gefängnisses waren aus unregelmäßig gemauerten Steinen, sich
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