Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
arbeiten doch hart genug.»
«Gut. Ich bin einverstanden. Ich werde mit Antonie reden, damit sie ein wenig … zugänglicher ist.»
«Sagen Sie ihr, dass auch sie daraus Vorteile zieht, nicht nur finanzielle.»
Obwohl sie genug mit den Änderungen der Kleider zu tun hatte, begleitete Lina Antonie in den nächsten Tagen häufig, was diese nicht sehr wohlwollend aufnahm. Aber Lina hatte ihr in einem langen Gespräch erklärt, was sie vorhatte, und da ihre Dienstherrin den Wunsch geäußert hatte, dass sie den Anweisungen des Fräuleins folgte, akzeptierte sie die Kontrolle zähneknirschend.
Als Erstes stellte Lina einen Plan auf, der Vorgaben für die täglichen und wöchentlichen Pflichten enthielt. Manche Arbeiten sollten weniger häufig, andere häufiger als früher erledigt werden. Lina erklärte Antonie auch, dass dieser Plan nicht aus Stein gemeißelt war, weil es im Winter und bei Regenwetter möglicherweise nötig wurde, den Laden öfter zu wischen.
«Du musst mitdenken, immer selbst sehen, was wann nötig ist. Ich habe nicht vor, dir immer zu zeigen, was du zu tun hast», erklärte Lina Antonie. Clara hatte sich bald daran gewöhnt, dass Antonie mit ihren Fragen wie selbstverständlich zu Lina ging. Lina hatte einen freien Sonntagnachmittag für das Hausmädchen durchgesetzt, und es stellte sich heraus, dass Antonie gar nicht so mürrisch und schnippisch war, wie Clara und Lina gedacht hatten.
Abends fiel Lina erschöpft ins Bett, fast so wie im Hause ihrer Familie. Die Änderungen an den veilchenblauen Kleidern hatte sie an den Tagen, an denen sie Antonies Arbeit beobachtete, geschafft, zu den gelben hatte sie mit Clara einen sehr teuren Seidendruckstoff mit zarten gelben Rosen ausgesucht und noch einmal die schlichte weiße Seide dazugenommen. Jetzt nähte sie praktisch zwei neue Kleider aus diesen Zutaten, denn ihrer Meinung nach waren nur die Unterkleider des Cölner Meisters wirklich zu gebrauchen.
Sie ersetzte die Volants durch schlichten Tüll und entwarf aus den Resten wunderbare Umschlagtücher für kühle Abende. Am Ende hatte sie die prächtigsten Ballkleider geschaffen, die Ruhrort je gesehen hatte.
Aber schon die ersten, nur wenig geänderten Kleider für die Töchter des Barons hatten beim Maiball in der Gesellschaft Erholung Aufsehen erregt. Und offensichtlich hatte der Baron keine Bedenken gehabt, preiszugeben, wer für den glanzvollen Auftritt seiner schönen Töchter wie auch für den von Friederike und Emma, die ebenfalls sehr bewundert wurden, verantwortlich war.
Schon zwei Tage nach dem Ball erhielt Lina einen Auftrag: Frau von Müller, die sie Silvester beim Baron kennengelernt hatte, wollte ein Ballkleid geschneidert bekommen. Und wie durch Zufall war am Tag der ersten Anprobe Jutta Wienhold bei den von Müllers zu Besuch.
«Ich muss praktisch meine gesamte Sommergarderobe erneuern», klagte sie Frau von Müller ihr Leid. «Ich hatte gehofft, dass wir in diesem Frühjahr noch nach Paris fahren oder wenigstens nach Berlin, aber mein Mann war nicht abkömmlich, und jetzt habe ich nur ein neues Kleid hier fertigen lassen, und das ist enttäuschend provinziell. Auch meine Tochter Annette bräuchte einiges.»
Sie wandte sich an Lina. «Liebes Fräulein Kaufmeister, wären Sie bereit, ein paar Tage zu uns ins Haus zu kommen? Ich hörte auch, Sie seien eine Änderungskünstlerin, und mein Mann wäre sicher erfreut, wenn unsere Kleiderrechnungen ein wenig kleiner ausfallen würden als sonst.»
Lina konnte es kaum fassen. Sie bekam zehn Thaler für das Kleid von Frau von Müller, und nun sollte sie für Jutta Wienhold und ihre Tochter die ganze Sommergarderobe nähen?
«Aber auf keinen Fall besuchen Sie meine liebe Freundin Jutta, bevor Sie mein Kleid fertighaben», warf Frau von Müller ein.
«Sie muss es nach der Anprobe doch kaum ändern», sagte diese, und es stimmte: Linas gutes Augenmaß hatte wieder einmal dazu geführt, dass das Kleid fast auf Anhieb saß.
«Sie bekommen Ihr Kleid schon morgen Nachmittag», erklärte Lina. «Dann kann ich übermorgen zu Ihnen kommen, Frau Wienhold. Wäre Ihnen das recht?»
«Aber natürlich!»
«Wir besprechen dann alles Nötige, und wenn Sie möchten, dass ich bei Ihnen im Hause arbeite, kann ich mich in den Tagen darauf bei Ihnen einquartieren.»
Damit waren sie sich einig. Das Ballkleid von Frau von Müller, ein Traum aus dunkelroter Seide und schwarzen Applikationen, wie er auch Lina selbst gefallen hätte – schlicht und
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