Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Wilhelm am Tisch. Strahlend berichtete sie vom Besuch bei Cornelius von Sannberg und von der bezahlten Arbeit, die vor ihr lag. «Ich werde noch einiges an Stoffen brauchen, liebe Frau Dahlmann.»
In diesem Moment kam auch Robert Borghoff herunter. Meist drückte er sich vor Antonies verbrannter Hafergrütze, doch es lag ein arbeitsreicher Tag vor ihm, da würde er kaum zu einem Mittagessen kommen.
Wilhelm und Clara verschwanden im Lager, nicht ohne zu sagen, wie sie sich für Lina freuten. Antonie hatte dagegen oben zu tun. So ergriff Robert die Gelegenheit, Lina von seinem gestrigen Besuch in Duisburg zu erzählen.
«Das Mädchen ist also mit jemandem mitgegangen, den es in Duisburg auf dem Markt kennengelernt hatte.»
Borghoff nickte. «Sie war eine Hure, es fiel ihr sicher leicht, dort einen Mann anzusprechen.»
Lina schüttelte den Kopf. «Ich glaube eher, dass er es angesprochen hat. Er hat sie ausgesucht.»
«Aber sie war hochschwanger.»
Lina sah ihn an. «Und wenn genau das der Grund war?»
«Aber als sie verschwand, hatte sie das Kind bereits geboren.»
«Und war vielleicht nicht mehr von Nutzen für ihn.» Lina runzelte die Stirn. «Angenommen, es geht ihm um ein Kind …»
«Um was damit zu tun?», fragte Robert. «Es so zuzurichten wie das Kleine, das an der Hebeturmbaustelle angespült wurde?»
«Für mich ergibt das einen Sinn, auch wenn es mir ganz und gar nicht gefällt und ich nicht weiß, warum Menschen so etwas Schreckliches tun.» Lina schmeckte plötzlich Antonies Hafergrütze noch schlechter als sonst, und sie schob sie weg.
«Ich habe den Staatsanwalt gebeten, für mich Nachforschungen anzustellen. Er hat versprochen, das zu tun.»
«Er scheint ein tüchtiger Mann zu sein.» Lina stand auf und kippte den Rest ihrer Grütze in den Abfall. «Einfach ungenießbar», murmelte sie.
Sie sah, dass auch Robert die Hälfte stehen gelassen hatte, nahm seine Schüssel und vernichtete den Rest.
«Fräulein Lina, da ist noch eine unangenehme Sache.»
Sie stellte die Schüssel zum übrigen Abwasch. «Ja?»
«Es geht um Ihre Schwester Wilhelmine. Ich habe den Auftrag aus Düsseldorf, sie einmal wöchentlich persönlich zu kontrollieren und zu befragen.» Es schien ihm peinlich zu sein. «Ein Brief wurde abgefangen.»
«Aber sie schicken die Briefe doch mit den Schiffen …» Lina biss sich auf die Lippen.
«Es war kein Brief Ihrer Schwester an ihren Mann und keiner von ihm an sie, er war so unvorsichtig, einen Brief an einen politischen Weggefährten mit der normalen Post zu schicken. Und daraus ging hervor, dass er in Kontakt mit seiner Frau steht.»
Lina seufzte. «Dieser Dummkopf.»
«Ich kann Ihnen da nur zustimmen.» Borghoff nickte heftig. «Sie müssen Ihre Schwester warnen.»
«Das wird kaum möglich sein, wenigstens nicht auf direktem Wege.» Lina setzte sich wieder und erzählte dem Commissar vom Verbot ihres Bruders, mit ihr zu sprechen.
«Das tut mir sehr leid», sagte der Commissar. «Aber mit den Briefen sollte sie sehr vorsichtig sein. Die Geheime Polizei vermutet schon, dass die Korrespondenz der beiden über die Schiffe läuft, und Justus Bleibtreu steht inzwischen weit oben auf der Liste der Landesverräter. Es würde Ihrem Bruder nicht gefallen, wenn alle ankommenden und auslaufenden Schiffe regelmäßig durchsucht würden.»
«So schlimm ist es?», fragte Lina erschreckt.
«Ja, Lina. Wenn Bleibtreu sich in London ruhig verhalten würde, aber er publiziert dort munter antipreußische Schriften, und die werden hier natürlich gelesen.» Er sah sie eindringlich an. «Es sind einfach keine Zeiten für Demokraten. Und statt den Kopf einzuziehen, macht er alles nur noch schlimmer.»
Er zog seine Taschenuhr hervor. «Ich muss los. Wir müssen heute die Fremdenlisten für die Bezirksregierung fertigstellen. Ein ganzer Tag am Schreibtisch.»
«Ich werde niemandem verraten, dass heute keine Polizei auf den Straßen unterwegs ist», sagte Lina spöttisch.
«Ich danke Ihnen ergebenst.» Er trank den Rest des erkalteten Kaffees aus und erhob sich. «Leider sind wir viel zu selten draußen, und Ebels ausgetretene Pfade kennt hier auch jeder.»
Er war schon fast in der Tür, als Lina plötzlich fragte: «Herr Commissar? Finden Sie es anstößig, wenn ich Geld für die Änderungen von Kleidern annehme?»
Er sah sie erstaunt an. «Nein. Viele Frauen arbeiten für ihren Lebensunterhalt. Und wenn Sie ganz alleinstehend wären …»
«Aber das bin ich nicht.»
«Immerhin
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