Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
tun Sie doch so, seit Sie ausgezogen sind. Also warum machen Sie sich darüber Gedanken?» Damit war er aus der Tür.
Ohne lange zu überlegen, warf sich Lina ihr Cape über und griff nach ihrem Stock. Wenn sie Mina nicht warnen konnte, dann musste Guste das tun.
Kurze Zeit später war sie wieder zurück. Guste war entsetzt darüber, wie wenig Justus dazu tat, die Familie wieder zu vereinen, und welcher Gefahr er seine Frau durch seine Unvorsichtigkeit aussetzte. Sie versprach, noch am selben Morgen Mina aufzusuchen, zumal an diesem Tag noch ein Schiff nach Rotterdam ging. Mina verpasste gewöhnlich keine Gelegenheit, ihrem Mann zu schreiben.
Der Laden war noch geschlossen, deshalb steckte Clara den Kopf in den Flur und bat Lina, ihr die feinen Cölner Kleider zu zeigen. Bewundernd stand sie in Linas Wohnzimmer und betrachtete sie.
«Ja, auf den ersten Blick sind sie wunderschön», erklärte Lina. «Aber sie sind nicht das, was die Mädchen bestellt hatten, und außerdem passen sie trotz Anprobe nicht richtig. Wenn der Cölner Kleidermacher nicht solch einen Ruf hätte, könnte er sich das nicht leisten. Hier in Ruhrort wäre er nicht bezahlt worden.»
«Ich habe ein paar Stoffe, die genau zu diesen hier passen, obwohl sie sicher weniger gekostet haben», meinte Clara.
In diesem Moment kam Antonie herein, um den Nachttopf zu leeren. Mit dem üblichen mürrischen Blick durchquerte sie das Zimmer und kam mit dem Topf aus dem Toilettenstuhl wieder zurück. «Wenn die Kleider hier herumliegen, kann ich nicht saubermachen», sagte sie beim Hinausgehen.
«Sie nutzt jede Ausrede, um ihre Arbeit nicht zu tun», schnaubte Lina, die sich langsam ernsthaft über Antonie ärgerte.
Clara wich Linas Blick aus, aber die war nicht bereit, klein beizugeben. «Frau Dahlmann, ich bezahle viel Geld für Antonies Dienste, und ich bin nicht mehr bereit, ihre Faulheit zu akzeptieren.»
«Aber sie ist doch nicht faul, Fräulein Kaufmeister.»
Lina seufzte. «Nein, vermutlich ist sie das nicht. Aber widerwillig, völlig konfus und zu unerfahren, um einen Haushalt ohne eine Hausfrau an ihrer Seite zu führen.»
Clara sah sie empört an. «Geben Sie mir jetzt die Schuld? Ich stehe Tag für Tag im Laden …»
«Nein. Ich weiß, dass Sie sich nicht um alles kümmern können. Ich habe viele Jahre einen großen Haushalt geführt … Und wir hatten kein Personal im Überfluss, mein Bruder ist äußerst geizig.» In Linas Kopf arbeitete es. Guste hatte ja schon angedeutet, dass sie etwas an den Zuständen im Hause Dahlmann ändern könnte. «Sind Sie denn zufrieden mit Antonies Arbeit? Mit ihren Kochkünsten?»
«Nun, ich sagte Ihnen bereits, dass unsere Speisen bescheiden sind …»
«Verstehen Sie unter ‹bescheiden› verbrannte, ungesalzene Hafergrütze?»
Clara schloss kurz die Augen. Lina wusste, bald hatte sie sie so weit.
«Sie kocht wirklich nicht gut», sagte Clara leise. «Aber …»
«Ich könnte das alles ändern, wenn Sie mir freie Hand lassen, Frau Dahlmann.» Lina blieb leise und freundlich. «Vieles ist eine Sache der Planung, und vermutlich würde es Antonie guttun, wenn man ihr zeigt, wie sie sich die Arbeit erleichtern kann.»
«Und wenn sie kündigt? Unsere alte Magd ging zu ihrer Familie aufs Altenteil, es hat so lange gedauert, bis wir jemanden fanden, der all die Arbeit hier allein macht. Bitte, vergraulen Sie sie nicht.»
Clara schien wirklich besorgt. Hauspersonal zu finden, war nicht so schwierig in diesen Zeiten, aber wirklich gute Leute, die fleißig waren und etwas von der Arbeit verstanden, waren selten. Es würde eine Herausforderung für Lina sein, aus Antonie eine Perle zu machen.
«Ich werde sie nicht vergraulen, das verspreche ich Ihnen.» Sie überlegte. «Ich zahle Ihnen zehn Thaler mehr für das Mädchen. Wie viel davon bekommt sie?»
Clara druckste herum. Offensichtlich war es ihr peinlich, dem Fräulein eine stattliche Summe abgenommen zu haben und davon nur einen Bruchteil an Antonie weiterzugeben. «Drei Thaler im Jahr.»
«Wären Sie bereit, sechs Thaler davon an sie zu zahlen, einen halben jeden Monat, wenn sie ihre Arbeit in Zukunft besser macht?»
«Das wäre zu überlegen …» Clara sah Lina an. «Werde ich noch Herrin in meinem eigenen Haus sein?», fragte sie dann.
Lina lachte. «Ich weiß, ich habe einen gewissen Ruf. Aber ich werde alles zuerst mit Ihnen besprechen. Es wird Ihnen auch guttun, wenn Sie sich weniger um diese Angelegenheiten kümmern müssen, Sie
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