Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
dass du b e sonders schnell laufen und hoch springen kannst, hätte mir eigentlich gereicht.“
Er zog sie lachend in die Arme. Eine Weile blieben sie stillstehen, inmitten des einsamen, nächtlichen Parks. Beim nahegelegenen Jag d schlösschen ging in der Personalwohnung ein Licht an. Vermutlich machte sich der neue Nachtwächter für seine Runde bereit.
„Wir sollten gehen, sonst erregen wir noch Aufsehen“, meinte Rudger. „Außerdem wartet auf uns noch ein Hochzeit s mahl.“
„Ich fürchte, mein Magen hat sich bis dahin noch nicht beruhigt“, en t gegnete sie und sah ihn vorwurfsvoll an.
Er griff nach ihrer Hand, während sie auf den Ausgang des Parks zugingen. Dabei bewegten sie sich fast lautlos, weil sie den Kiesweg mieden und stattdessen über die taubedeckte Wiesenfläche gingen. In der En t fernung sahen sie vereinzelte Scheinwerfer von Autos.
„Dann überspringen wir das und gehen direkt zur Hochzeitsnacht ü ber.“
Die Schattenpforte
1
T
ief hing der Himmel über Krinfelde. Dunkelgraue Wolken trieben behäbig dahin, ließen selten Platz zwischen ihren rot glühenden Rändern, damit Lichtfäden durchbrechen konnten. In der Ferne grollte Donner in unrege l mäßigen Abständen, als hindere etwas das Gewitter, sich zu en t laden.
Einem glimmenden Lavastrom gleich, schien die Wolkendecke jedem Naturgesetz zu trotzen und trug ihr schwelendes Feuer über die Köpfe der Menschen hinweg. Doch die vermeintliche Hitze blieb aus. Die Sonne musste sich in dem ganzen Grau ve r heddert haben. Stattdessen legte sich ein diffuser Lichtschleier über die Stadt, wie man es nur von nebl i gen Wintertagen kennt. Es war der kälteste Mai, den Leyla Barth je erlebt hatte.
Mit einem unwilligen Blick zu der abgestellten Heizung schlug sie die Tageszeitung auf und überflog fröstelnd die aktuellen Schlagzeilen. Seit drei Wochen forschten Wetterexperten erfolglos nach den Ursachen des seltsamen Wetterph ä nomens, das sich langsam über ganz Deutschland ausbreitete. Aus dem Radio auf der Fensterbank untermalte die unheilvolle Stimme eines religi ö sen Fanatikers die düstere Kulisse, indem er von Zeitenwende und dem nahenden Untergang sprach.
Leyla stieß sich mit den Füßen ab und rollte ihren Bürostuhl zum Fenster. Mit einem kurzen Schlag auf die Sensortaste des R a dios schnitt sie dem Weltunte r gangsprediger das Wort ab. Dass der Sender solchen Leuten überhaupt Sendezeit verschaffte, war unbegreiflich. Die Situation war auch ohne Schwarzmaler bedenklich, weil die anhaltende Dunkelheit b e ängstigte, und sich auf die Gemüter der Menschen legte.
Mittlerweile wagten sich immer mehr Vampire zu ungewohnten Tageszeiten auf die Straßen. Die Sonne drang kaum durch die dicke Wolkendecke, sodass ihre tödlichen Strahlen keine B e drohung mehr waren. Einige blieben dennoch vorsichtig, trauten der neuen, vermeintlichen S i cherheit nicht. Noch nicht.
Das führte natürlich zu vermehrten Unruhen. Die Menschen hatten sich inzwischen weitgehend mit den untoten Mitbürgern a r rangiert, hatte ihnen der helllichte Tag doch vermeintliche Siche r heit gegeben.
Mit einem Gähnen begab sich Leyla zurück zu ihrem Schreibtisch und blätterte Kaffee schlürfend die unhandlich großformat i ge Zeitung auf die nächste Seite. Sie stutzte und blätterte zurück. Aus dem Augenwinkel meinte sie, eine Bewegung wahrgenommen zu haben. Es war die Seite mit dem aktuellen Fernsehprogramm, ausgestattet mit den obligator i schen Szenenbildern. Zunächst konnte sie nichts Ungewöhnliches ausmachen, bis ihre Aufmerksamkeit auf eines der Filmfotos gezogen wurde. Dargestellt war eine Szene aus der Zeit der Renaissance. Ein junger Mann mit Weißhaarperücke stand vor einem Spinett und schien konzentriert N o ten zu lesen. Plötzlich bewegte sich das Bild, der Mann hob den Kopf, kratzte sich am Kinn, und ging einige Schritte auf die nahe gelegene Tür zu. Sein Mund bewegte sich, als würde er sprechen, doch es war kein Ton zu h ö ren.
Leyla hob den Kopf, um sich zu vergewissern, dass sie sich allein im Raum befand. Natürlich war außer ihr niemand im Büro. Vielleicht war es nur eine typische Reaktion, mit der sie sich ihres realen Umfeldes vers i chern wollte. Schauder liefen über ihren Rücken, als die Erinnerung schlagartig kam. Seit ihrer Kindheit hatte sie das nicht mehr erlebt. Oft genug hatten E r wachsene sie für ihre blühende Fantasie belächelt, wenn sie ihre Mitschüler mit einer Geschichte gegruselt
Weitere Kostenlose Bücher