Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
war größer als der Mut, sich auf jemanden einz u lassen, und sich in einen Vampir zu verlieben, bedeutete sich auf unbekanntes Terrain zu begeben. Bislang war es ihr erfolgreich gelungen die Anspielungen über ihre angebliche Verbindung zu Rudger von Hallen zu ignorieren. In Vampirkreisen war es offe n sichtlich kein Geheimnis und mittlerweile verdichteten sich die Indizien. Im Grunde sahen die meisten Me n schen in ihr eine Jägerin mit e r weiterter Handlungsbefugnis. Eine einsame Kämpferin gegen die Untoten. Leyla ahnte, dass ihr eigenes Einsehen was Rudger betraf, ebenso im Zusammenhang mit ihren besond e ren Fähigkeiten stand, wie es Einfluss auf den Fortgang ihrer Ermittlungen im Fall der ermordeten Vampire hatte. Die Stunde der Wahrheit näherte sich unaufhaltsam und sie musste sich darauf g e fasst machen, den Tatsachen ins Auge zu blicken. So oder so.
Zum Glück gab es Menschen wie Marie, die ohne Wertung zur Kenntnis genommen hatte, dass Leyla die halbe Nacht mit Rudger verbracht hatte. Verdammt, der Gedanke an diesen Abend ließ einen wohligen Schauer über ihren Körper ziehen. Sofort fühlte sie sich ertappt und warf einen Seitenblick auf Antonio. Er schien ihr nichts anzumerken, sondern konzentrierte sich darauf, den Wagen mit viel zu hohem Tempo über die Landstraße Richtung Innenstadt zu fa h ren. Leyla seufzte tief.
„Alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Antonio.
„Es geht mir gut.“
Vor dem Aurodom wartete Leyla mit laufendem Motor, bis Antonio und Jarno in den gläsernen Aufzug gestiegen waren. Die S i tuation war absurd. Sie hatte soeben einen Va m pir und einen Süchtigen vor der Haustür des Meistervampirs abgesetzt, als handele es sich um zwei junge Mä d chen, die man nicht in unsicheren Gegenden bei Nacht alleine ließ. Leyla schüttelte über sich den Kopf und lenkte ihren Wagen auf die Straße. Sie brauchte jetzt eine Dusche und ihr Bett, um ihre Gedanken zu ordnen.
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„S
chlaf erst mal eine Nacht, morgen früh sieht die Welt anders aus“, pflegte ihre Großmutter zu sagen. Ein Patentrezept gegen aufg e schürfte Knie oder den ersten Liebeskummer als Teenager. Dazu bekam sie eine Tasse heißen Kakao in die Hand gedrückt und wurde mit einem wohlwollenden Lächeln entlassen. Es hatte gewirkt, zumindest bis Leyla erwac h sen war.
Mittlerweile hatte sie sich daran gewöhnt, dass die Welt am nächsten Morgen genau so aussah wie am Vortag. Den leidigen Li e beskummer hatte sie sich schon lange abgewöhnt. Jeder Versuch einer festen Beziehung war in ihrem Leben gescheitert. Die Grü n de lagen bei ihr, darüber war sich Leyla im Klaren. Es gab Flirts und Affären, die rein körperlich waren und manchmal zu echten Freundschaften wurden. Doch Sex ohne Bindung blieb selten was es war und führte unweigerlich in eine Sackgasse aus falschen Erwartungen. Durch die gr o ßen Fenster fiel das Tageslicht in das Wohnzimmer und ließ das Flimmern des Fernsehers deplatziert wirken. Leyla erhob sich von der Couch, griff nach der Fernb e dienung und würgte dem Moderator des Vormittagsprogramms die Worte ab. Während sie die Überreste ihres Kekse- und Milchgelages von dem Tisch räumte, erinnerte sie sich an das gestrige Tel e fongespräch mit Evelyn. Sie hatte sie nach mehreren Vers u chen endlich erreicht und erleichtert festgestellt, dass Evelyn in den letzten Tagen Bereitschaft s dienst in der Klinik angenommen hatte. Sie klang unbeschwert und sprühte vor Energie, wie sie betonte. Leyla wusste, dass es sich um eine Nebenwirkung von Vincents netter Annäh e rung handelte. Erhöhte Leistungsbereitschaft und leichte Tageslichtempfindlichkeit waren die ersten Anzeichen eines beginnenden Umwandlungsprozesses. Da Evelyn im Nach t dienst war, dürften ihr die Veränderungen zunächst nicht aufgefallen sein. Sie verlor kein einziges Wort über den besagten Abend. Vincents herbeigeführte Amnesie schien zu wi r ken. Stattdessen schwärmte Evelyn während des ganzen Gesprächs von dem neuen Obe r arzt aus der Inneren.
„Warum triffst du dich nicht mit ihm?“, hatte Leyla gefragt.
„Ich?“, fragte sie, als sei ihr das noch nicht eingefallen. „Du weißt, als Ärztin habe ich keine Zeit für so was“, hatte sie lachend hinzug e fügt.
Leyla beließ es dabei und fragte sie nicht, wie sie darauf kam, dass eine Privatdetektivin Zeit für so was hatte. Als Evelyn zu e i nem Notfall gerufen wurde, beendeten sie ihr Gespräch. Sie vera b redeten sich noch hastig zu einem baldigen Treffen.
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