Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
Das taten sie oft und kamen selten dazu. In der Küche brühte Leyla Kaffee auf und blickte dabei aus dem Fenster. Sie konnte nicht behau p ten, dass in ihrem Kopf Ordnung herrschte. Stattdessen hatte sich noch eine gute Portion Zorn dazug e sellt; auf ihre Großmutter und auf Rudger. Wenn es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen ihr und Rudger geben sollte, musste das auf ein Ereignis aus ihrer Kindheit zurückzuführen sein. Davon musste ihre Großmutter g e wusst haben. Vermutlich war ihre Mutter deshalb verschwunden. Leyla fragte sich, was für eine Rolle Rudger spielte. In ihrem Innern erhärtete sich der Verdacht, dass etwas dran sein konnte, an den Vermutungen über die Verbi n dung zwischen ihnen. Doch sie wusste nicht, was sie von einem Vampir erwarten sollte. Vampire taten Dinge und fertig. Sie warfen keinen Blick z u rück auf den Scherbenhaufen, den sie hinterlassen hatten. Leyla schnaufte. Sie hatte sich eine Tasse Kaffee eingegossen, als ihr Handy piepste. Während sie trank, las sie die Kurzmitteilung:
„Sind gut angekommen. Vermisse dich. Viele Grüße von den Jungs. Marie.“
Leyla lächelte und legte das Handy auf die Ablage neben der Spüle. Sie kannte das Mä d chen erst seit kurzer Zeit, doch hatte sie schon ins Herz geschlossen. Sie besaß diese sy m pathische Mischung aus Anhänglichkeit und selbstbewusstem Tatendrang. Auch der eige n sinnige Marc hatte Leylas Wohlwollen. Zusammen mit David und Stephan bildeten sie ein fähiges Team. Leyla musste zugeben, dass sie sich auf ein Wiedersehen mit den jungen Soldaten freute.
Es klingelte wieder. „Guten Morgen, Kommissar“, meldete sich Leyla und warf schnell einen Blick auf die Uhr. Es war kurz vor zwölf. Ein Morgengruß war noch angebracht.
„Hallo, Leyla“, brummte Rolf. Er war seit Stunden im Dienst und der Morgen lag für ihn weit zurück.
„Was gibt es?“
„Ein Überfall auf den Zoo.“
„Vampir oder Mensch?“
„Beides und noch mehr.“
„Wo soll ich hinkommen?“
Der Zoo war nicht klein, und falls der Tatort in der Nähe des Affenhauses war, musste Leyla erst die komplette Anlage durchla u fen.
„Regenwaldhaus, vorne rechts.“
„Ich bin gleich da.“ Sie legte auf.
Es gab Tage, an denen war ihr Job richtig praktisch. Ehe sie sich den Kopf mit persönl i chen Belangen zerbrechen konnte, wurde sie zu einem Fall gerufen. Den Zorn auf ihre Großmutter schob sie be i seite. Es ergab nicht viel Sinn einer alten Dame zu zürnen. Sie hatte ihr Leben lang geschwiegen und würde es auch weiterhin tun. Was Rudger von Ha l len betraf, mit ihm würde sie sich zu einem späteren Zeitpunkt befassen.
Als sie den Eingang des Zoos durchschritt, waren sofort alte Kin d heitserinnerungen da. Kurz vor dem beliebten Pinguinbecken zog Leyla nach rechts und erreichte bald den Eingang des Regenwaldha u ses, dessen Kuppel eine Konstruktion aus Plexiglas und Holz war. Es war erst vor ein paar Jahren gebaut worden und befand sich im vorderen Teil des Zoos. Rolf em p fing sie an der Tür und wischte sich trotz der eisigen Morgentemperaturen mit einem Taschentuch Schweiß von der Stirn. Nach einer kurzen Begr ü ßung sagte Leyla: „Ich sehe keine Abspe r rungen.“
„Der Zoo ist nicht geöffnet.“
Er hielt Leyla die Eingangstür auf. Auf der Stelle umgab sie tropische Schwüle mit g e schätzten 28 °C und sie fühlte nach wenigen Schritten ihre Jeans an den Beinen kleben. Sie streifte die obligatorischen Plastikhandschuhe über, die Rolf ihr gereicht hatte. Sofort sammelte sich Wasser in ihren Handflächen. Sie blickte hinauf zu dem Kuppeldach, das aus diesem Blickwinkel sensationell war. Daran änderte auch der graue, verhangene Winterhimmel nichts. Unter diesem Dach wurde dem Besucher ein Ei n druck über das komplexe Zusammenspiel von Tieren und Pflanzen im Dschungel vermittelt. Sie gingen über einen hölzernen Steg und überque r ten die Miniaturausgabe eines südamerikanischen Tieflandflusses. Leyla hob die Blätter eines über den Weg ranke n den, riesigen Farngewächses zur Seite und bewunderte im Vorbeigehen eine Kolonie Blattschne i derameisen, die kleine Stücke Blätter auf ihren winzigen Rücken transportierten. Als sie vor einem Felsentunnel ankamen, blickte Leyla Rolf a h nungsvoll an.
„Nein, nicht dort. Obwohl es passend wäre, in einem dunklen Tunnel auf Leichen zu stoßen“, beantwortete er ihre stumme Fr a ge.
Sie gingen durch den Tunnel, der die schwach beleuchteten Behausungen von nachtaktiven
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