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Das rote U

Das rote U

Titel: Das rote U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Matthießen
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wirklichen Verbrechern zu tun hatte,
könnten sie sonst in ihrer Bande herrlich brauchen. Schade! – Nun,
Räuber und Gendarm konnten sie ihn ja gelegentlich einmal mitspielen
lassen auf dem Schulhof. Aber ihn mitnehmen über die Mauer?
Herübergekonnt hätte er vielleicht ja. Denn man brauchte nur an der
Schulmauer in den Holunderbaum zu klettern, und von da aus rasch auf die Mauer.
Aber für so feine Jüngelchen war das nichts!
    Ja, da fiel Boddas wieder der verwilderte Klostergarten ein. Jetzt würde es damit ja sowieso
aus sein! Er konnte es gar nicht abwarten, bis er morgen die große
Neuigkeit dem Döll und dem Knöres und Mala erzählte. Und dann wollten sie wirklich jede
Stunde, die sie frei hatten, noch in das Gärtchen gehen...
    Aber Mala fehlte anderen Tages in der Schule, er hatte Halsweh, und Knöres und Döll mussten nachmittags in die Schule. Drum blieb Boddas nichts anderes übrig, als zuerst einmal allein ihrem Garten einen Besuch
zu machen. Schnell schrieb er nach dem Essen seine Schulaufgaben hin – ob
er sie richtig hatte, das kümmerte ihn heute nicht, - und dann nahm er
sich aus dem Büro seines Vaters einen zwei Meter langen Zollstock, tat
eine neue Batterie in seine Taschenlampe und machte sich mit Silli auf den Weg zur Schule.
    Alles ging gut. Niemand sah
sie, wie sie über den leeren Schulhof huschten und dann in dem Holunder
verschwanden. Und nun noch schnell einmal am Pfarrhause hinaufgeschaut, ob
nicht einer der Kapläne am Fenster war... aber die Luft schien rein. Rasch
sprangen sie in das herbstdürre Gesträuch hinab, und schon waren sie
in dem niedrigen Kellerloch verschwunden. Einen Augenblick noch schauten sie dann
durch das blätterleere Gerank des wilden Weines zurück, aber sie
sahen nur ein Kaninchen flitzen. Jetzt mochte man sie suchen! – Und Boddas knipste seine Taschenlampe an, dann schritten sie
vorsichtig die bröckligen und verfallenen Stufen hinab.
    „Dass noch niemand diesen
Keller gefunden hat!“ sagte Silli , „da
wohnen sie vielleicht schon wer weiß wie lange hier, haben ihre Kohlen
und Kartoffeln im Keller und wissen nicht, dass unter ihrem Keller noch
Gewölbe sind...“
    „Vom Pfarrhaus kann man
ja gar nicht hier hinein!“ erklärte Boddas ,
„das alte Türloch ist längst
zugemauert, und unser Gärtchen ist ihnen nicht der Mühe
wert...“
    „Ach, bald werden die
Bauleute ja kommen und vermessen...“, sagte Silli .
    Boddas nahm seinen Zollstock heraus:
„Zuerst mal vermesse ich, der Herr Boden!“ erklärte er.
    „Du? Und was willst du
messen?“
    „Nun, so allerlei... Wir
sind ja überhaupt noch nicht so richtig in dem Keller gewesen. Graust du
dich nicht vor den Gerippen und Totenköpfen?“
    „Nein, kommt nicht in
Frage, Herr Boden!“ lachte Silli , „das
sind keine Verbrecher!“
    Nun waren sie ganz unten. Und
die Lampe beschien dickes, festes Mauerwerk, mächtige Wölbungen und
den mit Ziegeln sauber gemauerten Boden. Der Raum war nicht besonders
groß. Über ihm hatte gerade das Pfarrhaus Platz, also das alte
Klostergebäude mit seinen Kellern.
    Der Junge des Baumeisters
konnte sich ganz gut denken, weshalb die klugen Mönche ihren eigentlichen
Keller über dem noch tieferen, dem Begräbniskeller, angelegt hatten,
so hoch, dass man nur ein paar Stufen hinabzugehen hatte. Das war wegen der
Rheinüberschwemmungen gewesen, und die gab es, hatte der Vater gesagt,
früher, ehe der Strom allenthalben eingedämmt war, fast in jedem
Jahr. So wurde dann nur der Totenkeller, nicht aber der Weinkeller überschwemmt.
    „Siehst du“, sagte Boddas zu Silli , und er leuchtete
umher, wo bald da, bald dort, in wirrem Durcheinander, ein Schädel oder
Bein- und Rippenknochen lagen, „hier hat das Wasser schon wer weiß
wie oft alles durcheinander geschwemmt... Da, nimm mal mein Notizbuch und den
Bleistift.“
    „Was soll ich
damit?“ fragte das Mädchen leise. Es war ihr doch nicht so ganz
geheuer zwischen den bleichen Gebeinen.
    „Das wirst du schon
sehen!“
    Und Boddas fing an zu messen... „2, 4, 6, 8, 12... schreib: Länge 14 Meter fuffzich ... So...“
    „Breite 2, 4, 6, 8...
genau 8 Meter... weißt du, wo wir jetzt wahrscheinlich drunter sind?
Unter der Sakristei. Aber das werden wir schon noch sehen...“
    Boddas war ganz aufgeregt. Wer ihm
zugesehen hätte, der würde es gemerkt haben: dass die Bodens schon
von den Ururgroßvätern her Baumenschen waren. Und das steckte nun
auch dem Jungen im Blut.
    Nun visierte er über

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