Das rote U
schwer. Aber das
Rote U stellte es sich doch wohl ein bisschen zu einfach vor. Es war wirklich
keine Kleinigkeit gewesen für die vier Jungen, am Samstagnachmittag, wo
die Schule geschlossen war, sich in den Schulhof zu schleichen, ohne dass der
Schuldiener sie erwischte, dann über die hohe Mauer zu klettern in den
alten Klostergarten. Freilich, als sie einmal drüben waren, ging’s
schnell. Vor dem Pfarrer brauchten sie sich ja nicht besonders in acht zu
nehmen, denn der und die Kapläne waren samstagnachmittags immer in der
Kirche. Und so hatten die jungen Räuber schon in zwei Stunden drei
Kaninchen geschossen... Ach, die hatte Silli sonst
immer gebraten, ganz wie es sich gehört, mit Estragon und Thymian. Aber
heute hätte ihnen das zarte Fleisch gar nicht geschmeckt, und Boddas sagte, sie müssten sich ordentlich
schämen, dass sie noch nicht selbst auf den Gedanken gekommen wären.
Das Rote U musste gewiss der beste von allen Menschen sein! – Ordentlich
stolz waren sie, dass sie solch einen Räuberhauptmann hatten!
Aber wie sollten sie nun dem
armen Mann Arbeit verschaffen?
Was alles sollten sie
versuchen?
„Wir müssen was
rauskriegen!“ sagte Mala , als sie am Sonntag
nach der Schulmesse vor der Kirche zusammenstanden, „denn das Rote U soll
nachher nicht sagen, seine Räuber wären Waschlappen und
Dummköpfe!“
Dann besah er sich Silli . In ihrem neuen Sonntagsmantel mit dem netten
Pelzkrägelchen und dem hübschen kleinen Samtkäppchen sah sie
eigentlich sehr gut aus...
„Wie so ‘ne Wiener
Schlittschuhläuferin“, sagte er, „die sind ja immer in der
Zeitung fotografiert und sind alle sechzehn Jahre alt. Wie alt bist du
eigentlich?“
„Noch nicht ganz
dreizehn... Warum fragst du so dumm?“
„Darum! Hör mal, Silli , das wäre eigentlich eine Arbeit für dich,
dem Gebendeil was zu besorgen...“
Das Mädchen riss die
blauen Augen auf. „Für mich? Nun mach aber einen Punkt! Was
versteh’ ich von der Arbeitssucherei? Meinen Vater hab’ ich schon
gefragt, aber der hat jetzt nur noch zwei Bauten, und außerdem ist doch
der Gebendeil Schlosser...“
„Ich meine ja nur so, Silli “, sagte der lange Mala ,
„was bleibt uns denn anderes übrig, als bei den dicken Fabrikers von Haus zu Haus zu laufen und zu fragen? Beim
Mannesmann, beim Haniel und Lueg, beim Phoenix in Oberbilk .
Und was denkst du wohl, wenn da so ein Junge ankommt und sagt: Ich möchte
mal gefälligst euren Direktor sprechen – dann wird der achtkantig
rausgeschmissen, erstens mal sowieso, und zweitens sieht man uns doch den
Räuber schon von weitem an. Kapierst du das? Na also!“
„Überhaupt, das ist
gar keine räuberische Aufgabe!“ knurrte Döll.
„Das will ich nun grade
nicht sagen“, meinte Boddas , „denn einer
wie wir, der muss eben alles können. Und das will das Rote U gewiss mal
feststellen. Meinst du, er hätte damals den Zettel, den der Knöres aus der Villa Jück holen musste, nicht gerade so gut in unser Buch legen können? Aber nein,
der wollte nur sehen, ob wir die Courage hätten, in das Verbrecherhaus zu
gehen. Na, und genauso ist es jetzt. Und das könnt ihr mir glauben, ich
geh’ hundertmal lieber in die Villa Jück als zum Haniel...“
„Zum Kuckuck, das sage
ich ja eben!“ rief Mala , „aber wenn Silli hinkommt und macht einen Knicks und so’n Quatsch – nein, ein Fräulein an die
Luft zu setzen, dafür sind sie denn doch zu anständig!“
Das Mädchen winkte ab.
„So sehe ich aus! Nein, da geht ihr mal lieber hin und schlagt ein paar
Mal Rad... Ich wollte, wir hätten wieder eine anständige
Aufgabe.“
„In früheren
Zeiten“, beharrte Boddas , „haben die
Räuber auch immer den armen Leuten geholfen; das wisst ihr ganz
genau.“
So redeten sie hin und her im
Weitergehen, bis Döll sich endlich vor seiner Haustür verabschiedete.
„Sonst komm’ ich zu spät zum Kaffee“, sagte er,
„heut’ haben wir nämlich Streuselkuchen.“
Dann kamen sie in Malas Straße, und bei Malas gab es sicher auch etwas Gutes, denn der Junge ging von der Haustür aus
keinen Schritt mehr weiter. „Morgen ist auch noch ein Tag!“ sagte
er.
Endlich war auch Knöres fort, und Boddas und
seine Schwester gingen das kleine Stückchen bis nach Haus allein.
Eigentlich hätten sie durch die Kapuzinergasse gemusst. Aber das bisschen
Umweg tat nichts. Es war wirklich nicht unbedingt nötig, dass sie an Herrn Derendorfs Flickschusterhöhle vorbeigingen...
Der Bauunternehmer Johann Boden
war
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